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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung
Autoren: Sven Böttcher
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hatte diesen Auftrag, seinen ersten wirklich großen, ausgezeichnet erfüllt. Übererfüllt. Er hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass die kleine Daniels mit Chaplin zusammensteckte, und das häufig genug, um das Leben des agilen Clowns ernstlich zu gefährden.
    Gesagt hatte Cameron seinem Auftraggeber aber zunächst nur, dass er eine Vermutung habe. Deshalb war er – genau wie Chaplin – zu der kleinen Überprüfungsfahrt auf der
Scarletta
eingeladen worden und hatte aufpassen sollen, wo der kleine Mann seinen «Spazierstock hinpackt». So jedenfalls hatte Nastings es genannt.
    Nach feucht-fröhlichen Stunden auf flacher See war dann alles so gekommen, wie es immer kam, nämlich ganz anders als erwartet, und statt Chaplin hatte schließlich Dave Link, mit einer Kugel im Kopf, mausetot auf dem Deck der 80 -Meter-Yacht gelegen. Edda Priestley, eine der zwei Augenzeuginnen des Mordes im Suff, war anschließend von Teddy Nastings auf einen gutdotierten PR -Posten gesetzt worden, und Cameron, der zweite Zeuge, bekam seither monatlich einen Scheck über zweitausend Dollar aus der prallgefüllten Portokasse des Studios. Pünktlich an jedem Monatsersten und aus fiskalischen Gründen für sogenannte «Beratungstätigkeiten».
    Der Berater legte den Auszug ab. Nastings’ berufliches Erfolgsgeheimnis war ebenso simpel wie zeitlos. Er war dumm, laut, jähzornig, geldgierig und primitiv wie ein Eimer Wandfarbe. In Camerons Augen waren das viele gute Gründe, einen Privatdetektiv fürs Stillschweigen zu bezahlen.
    Er sah sich die beiden anderen, unwichtigen Auszüge an und warf den Papierstoß dann auf den Schreibtisch. Es ließ sich leben als Privatdetektiv in L. A., wenn man es mit der Moral nicht genauer nahm als die Klienten aus der Traumfabrik.
    Das schwarzglänzende Telefon auf der Schreibtischplatte klingelte. Cameron klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter.
    «Ja?»
    «Ein Mr. Sattelburger für Sie, Mr. Cameron», sagte Cindy.
    «Was will er?»
    «Das hat er nicht gesagt.»
    Cameron biss sich auf die Unterlippe und überlegte. Einerseits ließ er sich nach Möglichkeit keinen Auftrag durch die Lappen gehen, solange der Auftrag vielversprechend klang. Andererseits wollte er am Nachmittag ins Kino, um sich Capras neuen Film «You Can’t Take It with You» zum zweiten Mal anzusehen und herauszubekommen, weshalb er beim ersten Mal kurz vor dem Ende wie ein Rudel Schlosshunde losgeheult hatte.
    «Mr. Cameron?», fragte Cindy.
    «Ja.» Nach einem kurzen Räuspern klang seine Stimme so, wie seine Klienten es normalerweise erwarteten. Hart wie ein Sack Teppichnägel. «Ja, stellen Sie ihn durch.»
    Es knackte in der Leitung, dann war Sattelburgers unangenehm hohe Stimme in Camerons Ohr. «Hallo?»
    «Ja. Cameron. Was kann ich für Sie tun?»
    «Sie sind Cameron Cameron, der Privatdetektiv?»
    «Bin ich. Sonst noch was?»
    «Mein Name ist Sattelburger.»
    «Bedaure. Für Namensänderungen bin ich nicht zuständig.»
    «Was? Nein … ich arbeite für den Bezirksstaatsanwalt.»
    «Gregory?»
    «Sie kennen sich?»
    «Nie von ihm gehört.»
    Sattelburger schwieg einen Moment in die lange Leitung. Dann lachte er unsicher.
    «Ach so, ein Scherz … Ah. Mr. Gregory hat mich gebeten, Sie anzurufen.»
    «Weswegen?», fragte Cameron und öffnete die linke Schreibtischschublade, in der er eine ständig gutgefüllte Wasserflasche und ein sauberes Glas aufbewahrte.
    «Darüber möchte ich am Telefon nichts sagen.»
    «Sie lesen zu viele billige Krimis.» Cameron öffnete die Flasche mit einer Hand und goss Wasser in das Glas.
    «Ich kann Ihnen nur sagen», murmelte Sattelburger verschwörerisch, «dass es um eine wirklich große Sache geht. Eine sehr große, sehr eigenartige Sache, die offenbar nicht nur Los Angeles, sondern das ganze Land betrifft.»
    «Weiter nichts?»
    «Wie? … Oh … Doch. Um die Bezahlung machen Sie sich bitte keine Sorgen.»
    Er hatte das Zauberwort ausgesprochen.
    «Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen. City Hall?»
    «Ja. Danke. Bis dann.»
    Cameron legte auf und stellte das Glas ab. Er sah auf die Uhr, die nur um zwei Minuten nachging und 12  Uhr  17 anzeigte. Länger als zwei oder drei Stunden würde die Sitzung mit Gregory bestimmt nicht dauern, also bliebe anschließend genügend Zeit, in aller Ruhe ins Kino zu gehen.
    Theoretisch.
    Wenn es sich zum Beispiel um eine spurlos verschwundene Münze, einen ganz normalen Massenmord oder eine kapitalkriminelle
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