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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung
Autoren: Sven Böttcher
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sagten die quirligen Wasserwesen dies: «Herren, rund wie der volle Mond, werden im Auftrage reicher Fürsten in den Städten umhergehen und von den Armen und den Bedürftigen unverschämte Summen Goldes einfordern für die Vermittlung von Obdach – und keine Hand wird sich bewehrt erheben, sie hierfür vom Leben zum Tode zu befördern. Dies Strafgericht Lugs und der Mächte der Finsternis wird kommen über die Welt in mehr als fünfzehnhundert Jahr.»
    Gwydiot hob einen Kieselstein auf und ließ ihn in hohem Bogen in den Teich segeln. Während die Stichlinge erschrocken auseinanderstoben, schüttelte der Magier niedergeschlagen den Kopf. «Wieder nichts», murmelte er und dachte hinterher:
Unbegreiflich. Es ist nicht nur grammatikalisch daneben, sondern auch inhaltlich. Ich lese es falsch. Ich bin ein Versager. Ich bin eine Schande für meine gesamte Zunft. Was hätte Merlin gesagt, wenn er das noch erlebt hätte? Und was wird der König davon halten?
    Hätte der Magier einen langen Satz in die Zukunft machen und sehen können, dass dort feiste Immobilienmakler über edle Yachtplanken wandelten, aber nicht über Bord ins Wasser, wäre er vielleicht ein bisschen weniger missmutig gewesen.
    Vielleicht.
    Wahrscheinlich nicht.
    Wahrscheinlich hätte er einfach geglaubt, er stecke mitten in einem entsetzlichen Albtraum.

2
    Wer das steinerne Tor durchquert – was niemand tut, aber irgendwo muss man schließlich anfangen, wenn man eine Ortsbeschreibung vornehmen will –, sieht hinunter in ein sanftes grünes Tal voller kleiner, hübscher Villen. Ein Tal, das zu allen drei Seiten von steilen Felshängen begrenzt wird – also allen außer jener, in der das Tor steht, das niemand je durchquert. Zur Linken bemerkt der aufmerksame Betrachter (sofort) ebenso wie der unaufmerksame Betrachter (etwas später) eine Burg. Eine finstere, fortwährend von schwarzen, hartnäckigen Wolken umdräute Festung, deren Bewohner offenbar keinen gesteigerten Wert auf unangemeldete Besucher legen. Oder überhaupt irgendwelche Besucher.
    Zur Rechten hingegen erwarten das herumstreifende Auge einladend bunt bemalte griechische Säulen vor einem nicht minder bunten griechischen Tempel, dessen Bewohner ebenfalls keinen Wert auf ungebetene Besucher legen. So viel zur Aussagekraft von Fassaden.
    Kein Makler käme je auf die Idee, diese Wohnanlage als verkehrsgünstig gelegenes Objekt zu bezeichnen – und das nicht nur, weil es völliger Blödsinn ist, denn das wäre ja für einen Makler weiß Gott kein Grund, es nicht zu behaupten. Die Idee käme nur deswegen keinem Makler, weil kein Makler diese Anlage je zu Gesicht bekommen hat. Genauso wenig wie alle anderen Sterblichen, also auch jene, die sich im Gegensatz zu den Maklern gern ein bisschen Zeit mit dem Verbleichen lassen dürften.
    Die finstere Festung auf dem linken Berg heißt übrigens
Asgard
. Ob sie nur ungastlich wirkt oder es tatsächlich ist, kann kein Mensch sagen, weil noch nie einer versucht hat, an das gewaltige Tor jenseits der mächtigen Zugbrücke zu klopfen. Ebenso wenig wie an die Pforten der gegenüberliegenden Tempelkette, die
Olympos
genannt wird. Es kommen halt sehr selten Gäste her.
    Oder besser gesagt, nie.
    Die gesamte Wohnanlage wird von den zahllosen Bewohnern der jeweiligen Blöcke, Häuschen, Hütten und Villen mit derartig vielen unterschiedlichen Begriffen bezeichnet, dass kein Postbote daraus schlau würde – aber nicht nur deshalb bekommen die Bewohner keine Post – und eine Aufzählung sämtlicher Namen den Rahmen des uns bekannten Universums sprengen würde. Da es wünschenswertere Dinge gibt als die Sprengung des Universums (jedenfalls für gewisse hartnäckige Optimisten), bleibt die Beschreibung an dieser Stelle angemessen unvollständig.
    Auf dem unermesslich breiten Bergrücken zwischen Asgard und Olympos entdeckt der Betrachter babylonische, ägyptische, aztekische, toltekische, gallische, chinesische, buddhistische, keltische, japanische, frühjemenitische und unzählige andere Götterburgen, die vor allem eines gemeinsam haben, nämlich keinerlei Bedeutung für den weiteren Verlauf dieser Geschichte.
    Was übrigens auch für die sogenannte «Monotheistische Senke» gilt, die sich zwischen den Kämmen erstreckt und in der sich Abertausende von Wesen tummeln, die überwiegend komplett eigenartigen und verdrehten Phantasien entsprungen scheinen. Manche dieser Wesen, zum Beispiel einen gewissen «Allah», hat seit Urzeiten niemand zu Gesicht bekommen,
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