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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung
Autoren: Sven Böttcher
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Außerdem spielte er prinzipiell nicht mit seinen Blitzen.
    Jetzt jedoch stand er zerzaust im Türrahmen, wirkte nicht mehr wesentlich eleganter als eine verbrannte Platane und wurde von einem langsam verzüngelnden Blitz im rechten Nasenloch gekitzelt. Als er das vorwitzige Ding wegzuwedeln versuchte, verlor er das Gleichgewicht.
    Apollon erholte sich am schnellsten von dem Schreck. Bevor sein Vater lang hinschlagen konnte, eilte er ihm zur Seite und stützte ihn. Mit vereinten Kräften schafften er, Hermes und Poseidon den Göttervater anschließend zu einer der Liegen und betteten ihn möglichst bequem. Zeus lag mit geschlossenen Augen da und atmete tief.
    «Zeus?», sagte Hera.
    Zeus sagte nichts.
    «Bruder?», sagte Poseidon, unter dessen feuchter Aussprache sämtliche Götter litten, und schnaufte Zeus einige Wassertropfen ins Gesicht. Zeus rührte sich nicht.
    Athene runzelte die Stirn. «Vater, lass den Unsinn. Was sollen wir denn machen? Dir einen Arzt rufen?»
    Zeus schwieg.
    Erst als Ares gewohnt dumpf vorschlug, man solle ihn doch einfach liegen lassen und erst mal in aller Ruhe essen, öffnete der zerzauste Gott der Götter zornig die Augen und richtete sich ruckartig auf. Der Blitz, der ihn bis zuletzt umzüngelt hatte, machte sich schleunigst aus dem Staub und verkroch sich zitternd unter eine der Liegen.
    «Ha!», schnaufte Zeus mit leichtem Tremolo. «Und nochma Ha! Mich hier einfach lienn lassen wollen wie’n Sack schimmlige Oliven, ja? Das könnte dir so passen, mein Sohn. Das könnte dir so
passen

    «Geht es dir gut, Männe?», fragte Hera aufrichtig besorgt und fing sich einen sehr, sehr zornigen Blick ihres Gatten ein.
    «Ob’s mir gutgeht? Besstens geht’s mir. Ging mir nie bessah!»
    Athene näherte sich dem zerzausten Bart auf Riechweite. «Sag mal, hast du was getrunken?»
    «Klar hab ich was getrunken. Aber diesmal hab ich so viel getrunken, dass ich’s überhaupnichmehr merke, du kleine neunmalkluge Kopfgeburt! Und ich hab’s ihn’n gezeicht! Haha! Und nochma: Haha!»
    «Wem?»
    «Na, diesem … diesem Krabbelkram, diesem Scheißdreck da un’n.»
    «Den Sterblichen?»
    «Sach ich doch.» Zeus stieß kurz und unbeherrscht auf, ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. «Gezeicht hab ich’s dehn.»
    «Was hast du ihnen gezeigt», fragte Athene.
    «Na, wo die Harke hängt! Wo der Baadl den Mosst klaut! Jezz hör mir ma zu, Mädchen, diese Fliegenhirne wagen es immerhin, nich mehr an mich zu glaum, an den großen Zeus, nichwahr?»
    Athene nickte zustimmend.
    «Das gehdoch nich!», brüllte Zeus so verletzt, wie das in seinem Zustand möglich war. «Gipps ja garnich! Das mussman sich ma klaamachen, beim Jupita. Jupita! Siehsse! Da fäng’s ja schon an, jezz nenn ich mich schon selber wie die Römer, diese dehydings … general … degenerierten Schwuchteln!»
    «Worauf willst du hinaus, Vater?»
    Mittlerweile ahnten alle Götter Böses. Jedenfalls fast alle. Von Poseidon und Ares konnte man keine Ahnungen erwarten. Während Zeus fahrig in seinen zerzausten Bart lallte, die Römer seien eine Horde widerlicher Kleinkinder, die alles anfassen und in den Mund nehmen müssten, inklusive Austern, Truthähne und das andere Geschlecht, wuchtete sogar Dionysos seinen kugelrunden Kopf aus der Weintraubenschale und vergaß vor Verblüffung das Kauen. Zeus erhob sich mit einem zornigen Schnauben und torkelte majestätisch in die Mitte des Raumes. Alle Augen ruhten auf ihm, und vor lauter Stolz wuchs er erst mal zwei Zentimeter in die Höhe, bevor er seinen Umhang notdürftig ordnete und sich dramatisch räusperte.
    Hinter ihm, auf einem Ast der uralten Esche vor dem Versammlungssaal, landete ein großer, schwarzer Rabe. Er faltete seine Flügel sorgsam auf dem Rücken und spitzte die Gehörgänge in Richtung des leicht schwankenden Mannes, der nicht weit von ihm entfernt zu einer Rede anhob.
    Keiner der Griechen bemerkte den Raben.
    «Alsso!», sagte Zeus, etwas zu laut. «Die ham alles falsch gemacht, die Würmer! Die ham uns abgeschafft und sich dafür zum Beischbiel Pietas und Fidelis zugewannt, diesen blöden Göttern der Vertrachstreue …»
    «Fides», korrigierte Apollon. Zeus brüllte ihn nieder.
    «
Iss doch völlich egal, wie die Arschgeigen heißen
! Und dann, dann ham sie sich die bescheuerte Gotik ausgedacht. Potthässlich. Zum Kotzen. Und das, um uns
näher
zu komm, bah! mussman sich ma vorstellen. Heilige Einfalt … Die …» Zeus taumelte, fing sich aber wieder. «Die
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