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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman
Autoren: El mir Bourges
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sie, so gut er konnte, und machte dabei aus Gewohnheit seine Späßchen und diese so gelungen, dass die Italienerin schließlich zu lachen anfing und sagte: «Wirst du dich denn nie ändern, Giovan?»
    Nachdem sich ihre erste Überraschung gelegt hatte, griff sie seinen Vorschlag doch gerne auf. Lebhaft, ungestüm in ihren Begierden und immer von einer romantischen Wallung beseelt, wegen der sie auch Rom mit einem Sänger verlassen hatte, brachte Emilia nur mit Willenskraft so viel Schlauheit in ihren Verführungskünsten auf. Doch würde sie auf diesem langen Weg nicht straucheln? Da sie wusste, dass sie sich schnell hinreißen ließ, misstraute sie sich selbst und bedauerte, keinen Ratgeber zu haben, an den sie sich wenden könnte. Sobald Arcangeli gesprochen hatte, richtete sich ihr ganzes Hoffen also auf ihren lieben Bruder; sie erkannte in ihm genau die Geduld und den listigen Geist, die ihr völlig fehlten, und in einer Anwandlung von Zutrauen reichte sie ihm die Hand: «Also gut, ich geb’s ja zu, es war falsch, nicht offen mit dir zu reden.»
    Sie erzählte ihm von Graf Franz’ Aufmerksamkeiten, von seinen galanten Geschenken, wie sie ihn behandelt hatte, um ihn noch mehr zu entflammen, und wie er, nach kurzer Entmutigung, jetzt wieder rückfällig wurde und von Neuem Blumen schickte. Von Zeit zu Zeit nickte Arcangeli und pflichtete ihr bei; am Ende des Berichts wies er Emilia an, nun ihn die Dinge in die Hand nehmen zu lassen. Zweifellos war der Köder gut ausgelegt, doch würde der Fisch auch anbeißen …? Langsam gingen sie zurück zum Rasen, auf dem die Kinder rannten. Otto vergnügte sich jetzt damit, nur noch in unflätigen Ausdrücken zu sprechen und fürchterliche Flüche auszustoßen; doch als der böse Junge Claribels Wut und Tränen sah, kam ihm eine noch bessere Idee. Er begann zu lachen und rief ihr zu: «Hör mal, Clary, wiederhole mit mir zusammen die letzten Dinge, die ich gesagt habe – oder ich stürze mich in dieses Becken.»
    «Ach! Otto! Mein Bruder, mein kleiner Bruder!», und angstvoll und sprachlos zugleich fuhr sie fort zu betteln.
    «Los! Beeil dich, oder ich springe hinein!»
    Und Otto, der auf den Brunnenrand geklettert war, schien mit zu Claribel gewandtem Kopf bereit, sich hinunterzustürzen. Plötzlich rutschte er aus und seine ausgestreckten Hände suchten vergeblich Halt, dann fiel er in das Wasserbassin, das an dieser Stelle nur sehr flach war.
    Man lief herbei, fischte den triefnassen und schallend lachenden jungen Grafen wieder heraus; danach musste man sich um Claribel kümmern, die sogleich ohnmächtig geworden war. Man brachte sie nicht ohne Mühe wieder zu sich, doch war der Schock zu stark gewesen und noch am gleichen Abend brach eine Nervenkrankheit aus, die schon lange untergründig in dem schwächlichen Kind geschlummert hatte.
    Die Ärzte waren ratlos, denn kein Mittel schien zu helfen. Die Symptome waren Ekel, Niedergeschlagenheit und ein immer wieder auftretendes Fieber, dann wieder anfallartig auftretende Zuckungen und manchmal wüteten so heftige Schmerzen in ihrem Körper, dass diesen schließlich die Kräfte verließen und er in eine Art Totenstarre fiel. Nichts war wegen ihrer Dauer und Heftigkeit furchterregender als diese Anfälle; das Kind wurde von rasenden Krämpfen geschüttelt, sodass man meinen konnte, seine Seele wolle ihre Verbindung zum Körper trennen. Sie wurde blasser, schwand in erschreckender Weise dahin, mit ausgemergelten Zügen und einem Gesicht wie aus Wachs, auf dem sich unter farblosem Haar das Blau der Venen abzeichnete. Verloren inmitten einer riesengroßen Lagerstatt voller Spitzenbettwäsche lebte sie dort zwei Monate lang, umgeben von kolorierten Heiligendarstellungen, Rosenkränzen und Bilderbogen, die die eifrige Emilia über die gesamte Länge der Vorhänge hin ansteckte. Und all die Amulette rund um das Bett, die Medaillen, die kleinen Skapuliere, eine heilige Clara in Rosa und Grün gleich ihrem Kopfkissen gegenüber, hatten schließlich in Claribels Augen eine ungewöhnliche Bedeutung erlangt, obwohl die junge Gräfin als inbrünstige Lutheranerin eine heimliche Verachtung für den Aberglauben der Papisten empfand.
    Tatsächlich betrachtete sie viele Dinge mit der Ernsthaftigkeit und Reife einer Frau. Seit sie Lesen gelernt hatte, war es ihr ein Anliegen, alles über die Familiengeschichte zu erfahren; sie wusste es geschickt hervorzuheben, dass sie einem der bedeutendsten Adelshäuser der Christenheit entstammte. Immer
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