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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
Autoren: Frank W. Haubold
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die seltsamen Verse vom letzten Haus, das so verloren dasteht, wie das Mädchen selbst sich manchmal fühlt:
In diesem Dorfe steht das letzte Haus
so einsam wie das letzte Haus der Welt.

Die Straße, die das kleine Dorf nicht hält,
geht langsam weiter in die Nacht hinaus.

Das kleine Dorf ist nur ein Übergang
zwischen zwei Weiten, ahnungsvoll und bang,
ein Weg an Häusern hin statt eines Stegs.

Und die das Dorf verlassen, wandern lang,
und viele sterben vielleicht unterwegs. 3

    Die Wucht der Erkenntnis lässt Miriam zurücktaumeln. Einen Moment lang verschwimmt die Welt vor ihren Augen, und sie ist dankbar, dass Ricardo hinzueilt und sie stützt. Einmal mehr wünscht sie sich, Ray wäre hier, dann könnte sie sich einfach in seine Arme fallen lassen und losheulen wie das Mädchen von damals.
    Aber der Moment der Schwäche vergeht, und ihre Gedanken werden klar. Miriam Katana weiß jetzt, was das für ein Ort ist und wo der Weg hinführt, der sich jenseits des Dorfes in der grauen Einöde verliert. Sie wird ihn zu Ende gehen, so ist es bestimmt, und sie ahnt, dass sie allein sein wird dort drüben.
    Das Dorf selbst ist nur ein Symbol – Wegweiser und Mahnung zugleich, aber auch ein Zeichen dafür, dass jemand über sie wacht. Das macht es nicht leichter, denn wenn der Kampf bereits entschieden wäre, bedürfte es ihres Opfers nicht. Aber es ist dennoch ein tröstliches Gefühl.
    »Ist Ihnen nicht gut, Captain?«, fragt in diesem Augenblick der Zwerg, der sie schon die ganze Zeit über misstrauisch beäugt.
    »Doch, Mr. Fisher«, versichert Miriam und nimmt ihre Ausrüstung wieder auf. »Ich musste mir nur über einige Dinge klar werden.«
    »Und wie geht es jetzt weiter?«
    »Wir gehen zurück zum Schiff und gönnen uns erst einmal ein paar Stunden Ruhe. Danach können wir weitersehen.«
    »Wie Sie meinen, Captain«, erwidert der Zwerg mit einem schiefen Grinsen. »Aber bilden Sie sich ja nicht ein, dass wir Sie allein gehen lassen.«
    Einen Moment lang ist Miriam sprachlos. War sie so leicht zu durchschauen?
    »Danke, Mr. Fisher«, sagt sie dann und räuspert sich verlegen. »Aber Sie sollten wenigstens wissen, worauf Sie sich einlassen.«
    »Als Zwerg bekommt man nicht viele Chancen, in die Geschichte einzugehen«, versetzt der kleine Mann und wird tatsächlich rot.
    »Der Ruf von uns Waffenmeistern bedarf ebenfalls dringend einer Aufbesserung«, sekundiert Ricardo und nimmt Haltung an.
    Miriam verspürt ein Brennen in der Kehle und ringt nach Worten. Aber ihr fällt nichts ein.
    »Gehen wir«, sagt sie stattdessen, und so geschieht es auch.
        

Nachwort

    Dieses Buch verdankt seine Entstehung einem Werk, das bereits im Jahr 1906 seine Erstveröffentlichung erlebte, und einem Autor, den wohl niemand mit dem Genre Science Fiction in Verbindung bringen würde.
    Vor mir liegt die legendäre Nummer 1 der Insel-Bücherei, die »Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke«, ein schmales Bändchen von gerade einmal 34 Seiten Umfang, das ich vor mehr als vierzig Jahren im Bücherschrank meiner Eltern entdeckt und gelesen habe. Nachhaltig beeindruckt hat mich das wohl berühmteste Werk Rainer Maria Rilkes allerdings erst später, als mir das Buch durch Zufall erneut in die Hände fiel. Ich hatte inzwischen selbst erste Erfahrungen als Autor gesammelt und war vielleicht auch deshalb so überaus fasziniert von der Sprachgewalt und dem Bilderreichtum des »Cornets«, die für mich bis heute unerreicht sind.
      
    Irgendwann hatte ich die verwegene Idee, die im Grunde zeitlose Geschichte von Krieg, Liebe und Tod in eine ferne Zukunft zu verlegen, Pferde durch Raumschiffe zu ersetzen und die endlose Steppe durch die Weiten des Alls. So entstand die Rilke-Hommage »Das ewige Lied«, mit der es mir immerhin gelang, den sonst eher skeptischen Herausgeber Ronald M. Hahn für eine Veröffentlichung im Magazin NOVA zu gewinnen.
      
    Wieder gingen die Jahre ins Land, bis ich eines Tages das Angebot erhielt, mich an einer MilSF-Anthologie des Atlantis-Verlages zu beteiligen. Ein wenig überrascht suchte ich nach einem Thema, bis mir schließlich der Gedanke kam, die Handlung des »ewigen Liedes« fortzuschreiben. Obwohl ich mich vorher nie mit militärischer SF beschäftigt hatte, gelang es mir relativ problemlos, den Faden der Konfrontation mit einem unbekannten, übermächtigen Feind weiterzuspinnen. Die Erzählung »Die Gänse des Kapitols« erschien 2010 in der Anthologie »Weltraumkrieger« und ließ eine
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