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Götter des Meeres

Götter des Meeres

Titel: Götter des Meeres
Autoren: Hubert Haensel
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angetan, Hoffnungen zu wecken. Dies war eine fremdartige, eine gefährliche Welt, die den Reiz des Unbekannten mit düsterer Schönheit vereinte.
    Man spürte den Pulsschlag des Lebens. Wenn er auch langsam war und unregelmäßig wie das Rauschen der Brandung, so ließ es sich doch nicht leugnen.
    »Gefressen«, jammerte Gerrek. »Verschluckt wie eine reife Frucht von den Tieren des Waldes.«
    Es wurde wärmer, und gleichzeitig legte sich ein Geruch von Moder und Verwesung beklemmend auf die Atemwege. Nachdem alle ihre Schwerter gesäubert hatten, übernahmen Gudun und Gorma stillschweigend die Führung der kleinen Gruppe. Ihnen folgte Sosona, dann kamen Mythor und der Beuteldrache, und den Schluß bildeten Scida und Kalisse. Der Sohn des Kometen nahm es hin, daß die Kriegerinnen ihn abdrängten, ihm lag nichts daran, Streit anzufangen. Zum anderen hatten sie gesehen, daß er zu kämpfen verstand, als er Yacubus mit dem Gläsernen Schwert zusetzte. Zumindest Gudun bedachte ihn seither des öfteren mit nachdenklichen Blicken. Mythor hätte viel darum gegeben zu wissen, was in ihr vorging.
    Sie war es auch, die sich zu Gerrek umwandte und auf seine unbedacht hervorgestoßenen Worte antwortete:
    »Hast du Zähne gesehen, die eine Beute zerreißen können, oder ein geiferndes Maul?«
    »Nein.«
    »Wie, meinst du, hat dieses angebliche Monstrum uns dann verschluckt?«
    »Wir waren dumm genug, einfach in seinen Rachen hineinzuspazieren.«
    »Einen Rachen stelle ich mir anders vor«, Gudun verzog ihr Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. »So wie deinen in etwa, mit scharfen Fangzähnen, einer unnützen Zunge…«
    »Ha«, machte Gerrek, »ich habe es nicht nötig, mich beleidigen zu lassen.«
    Weil er ahnte, was kommen würde, legte Mythor besänftigend seine Hand auf den Arm des Beuteldrachen.
    »Weißt du, was ich glaube«, fuhr Gudun fort. »Wenn wir uns wirklich im Innern eines gewaltigen Tieres befinden, so können wir nur von dessen anderem Ende hineingelangt sein.«
    »Von hinten?« Gerrek schüttelte sich. »Frauen haben tatsächlich keinen Verstand.« Dabei wurde er so leise, daß selbst Mythor Mühe hatte, ihn zu verstehen. Gudun starrte ihn zornig an. Sie reimte sich wohl zusammen, daß Gerrek eine Beleidigung aussprach, hielt es aber offenbar für unter ihrer Würde, danach zu fragen.
    Dunst erfüllte allmählich den Tunnel. Der Geruch wurde stärker und machte das Atmen zur Qual.
    Gerrek rümpfte die Nüstern. »Vielleicht hat sie doch recht«, platzte er heraus.
    Zäher Schlamm, der sich bei jedem Schritt schmatzend bis über die Knöchel schloß, bedeckte inzwischen den Boden. Und dann war da plötzlich eine grünlich schillernde Flüssigkeit, so weit man sehen konnte. Von ihr stiegen die Dämpfe auf.
    »Da sollen wir hindurchlaufen?« fragte Gerrek.
    »Du kannst auch schwimmen, wenn du willst«, erwiderte Gudun gereizt.
    »Wofür hältst du das?«
    »Ich weiß nicht, Scida. Aber wir haben keine andere Wahl.«
    Hintereinander zwängten sie sich durch die Engstelle, an die unmittelbar die spiegelglatte Fläche des Sees anschloß. Der Gang war hier faltig und von dicken Wülsten durchzogen, die hart waren wie natürlich gewachsener Fels. Dahinter lag ein zwar nicht tiefer aber doch steiler Abhang. Gudun, die als erste ging, hatte Mühe, sicheren Halt zu finden und nicht abzurutschen.
    Die Flüssigkeit reichte ihr bis halb an die Waden. Die Amazone hielt sich nicht lange auf, sondern stapfte eilig weiter. Es fiel ihr schwer, das Gleichgewicht zu halten, weil sie nicht sehen konnte, wohin sie trat. Der grüne See war wie ein Spiegel, und er lag auch jetzt fast unbewegt vor ihr. Die Wellen, die sie verursachte, verliefen sich schnell.
    Vielleicht zwanzig Schritte weit reichte die Sicht. Als Gudun den engen Zugang hinter sich schon nicht mehr erkennen konnte, tauchte vor ihr etwas wie eine Insel aus dem Dunst auf. Langsam tastete die Kriegerin sich vorwärts.
    Ein Gurgeln und Blubbern wurde hörbar, von Blasen erzeugt, die schäumend zerplatzten. Mit der Zeit drang die Flüssigkeit durch Kleidung und Rüstung hindurch. Sie war klebrig zäh und verursachte ein unangenehmes Jucken.
    Fast schon in Reichweite des Hindernisses verlor Gudun den Boden unter den Füßen. Für die Dauer eines bangen Herzschlags fürchtete sie unterzugehen, doch die Flüssigkeit trug, und sie sank nur bis an die Hüfte ein. Mit heftigen Schwimmstößen teilte sie die übelriechende Brühe. Zweifellos liefen in der Tiefe Gärungsprozesse
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