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Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
Autoren: Bernd Köstering
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für ein komischer Vogel?«, fragte ich.
    Benno
nahm seine Goldrandbrille ab und putzte sie ausführlich mit einem
Papierhandtuch. »Du weißt doch, dass sich im Frühjahr fünf Leute auf den
vakanten Posten des Generalintendanten beworben hatten. Liebrich ist einer der
abgelehnten Bewerber.«
    Ich
pfiff leise durch die Zähne. »Donnerwetter!«
    Benno
nickte.
    »Und
jetzt setzt der sich einfach so mit an unseren Tisch?«, fragte ich.
    »Na ja,
immerhin scheint er von Wengler zu kennen, aber besonders glücklich finde ich
das nicht. Zumal …«
    Er
zögerte. Ich bedeutete ihm mit einem Handzeichen, weiterzusprechen.
    »Na ja,
der Kultusminister als Vorsitzender des Theater-Aufsichtsrats hat versucht,
massiven Druck auf die anderen Mitglieder auszuüben. Liebrich sei ja so
erfahren, gerade mit Goethes Bühnenstücken und so weiter. Keine Ahnung, was da
los war. Mich hat das sehr gestört, zumal mein Verhältnis zum Kultusminister
sowieso angespannt ist.. Jedenfalls habe ich die anderen
Aufsichtsratsmitglieder überzeugt, die Unabhängigkeit des Deutschen
Nationaltheaters zu wahren.«
    »Und
daraufhin fiel er durch?«
    »Richtig.
Ich denke, das hat ihn sehr getroffen. Offensichtlich war er ziemlich sicher,
den Posten zu bekommen, er war sogar schon mit seiner Lebensgefährtin von
Frankfurt nach Weimar umgezogen, eine Frau Hartmannsberger oder so ähnlich,
auch eine Theaterschauspielerin.«
    »Redet
der eigentlich immer so?«
    »Liebrich?«
Benno lächelte. »Ja, der redet immer so. Die meisten verspotten ihn deswegen.
Auf manche übt es aber eine gewisse Faszination aus.«
    Ich sah
ihn fragend an.
    Er
drehte sich um. »Wir sollten jetzt besser wieder hineingehen.«
    Die
Diskussion an unserem Tisch hatte sich inzwischen auf Frau Appelmann verlagert,
die immer noch nicht erschienen war und – unter Berücksichtigung der Uhrzeit –
wohl nicht mehr kommen würde. Wahrscheinlich hatte sie wichtigere Artikel zu
schreiben.
    »Nun,
dann wird sie wohl nicht in den Genuss kommen, ihre Gedanken zu dieser
hochlöblichen Generalprobe an die Öffentlichkeit zu bringen«, sagte Liebrich.
    Benno
sah ihn erstaunt an: »Das klingt ja so, als seien Sie auch bei der Generalprobe
gewesen?«
    »Selbstverständlich,
Verehrtester!«
    »Wie
bist du da hineingekommen?«, fragte Hubertus von Wengler.
    »Aber
Hubertus, einem Freund des Generalintendanten kann doch niemand den Zugang
verwehren. Es ist mir nicht darum zu tun, Vorteile aus dieser Sache zu ziehen,
ich wollte mich nur dem reinen Kunstgenuss hingeben.«
    Von
Wengler lehnte sich zurück. »So, unser ›Clavigo‹ hat dir also gefallen.«
    »Selbstredend.
Mit solch einer Leistung muss euch in der neuen Theatersaison nicht bange sein,
das wage ich hier und jetzt zu weissagen. Ein Clavigo, der durchdringt, der
sein Zaudern zwischen Berühmtheit und edler Gesinnung spüren lässt. Eine Marie,
deren Herz bebt, man möchte geradezu mit ihr zusammen aus der Fassung geraten.
Und ein Beaumarchais, dessen treue Sorge um seine Schwester nicht aufgesetzt
wirkt, nicht der Lächerlichkeit preisgegeben ist, nein, ehrlich zeigt er sich,
für jedermann im Zuschauerraum erlebbar, man spürt das Blut gleichsam durch
seine Adern rinnen, man möchte den Degen bald selbst in die Hand nehmen und
zustechen. Meine Gratulation!«
    Martin
Feinerts Handy klingelte. Er nahm ab, hörte kurz zu und sagte: »Nein, noch
nicht.« Danach legte er wieder auf. »Und Carlos?«, fragte er umgehend in Liebrichs
Richtung.
    »Nun,
ich in Person kann mich nur schwerlich in die Durchtriebenheit dieser Figur versetzen«,
antwortete der Angesprochene. »Aber ohne Zweifel eine schätzenswerte Leistung.«
    Die
Lage hatte sich etwas entspannt. Ich bestellte einen Espresso, Harry Hartung
seinen vierten Cognac.
    Während
der Kellner die Getränke servierte, klingelte erneut Feinerts Mobiltelefon.
Diesmal wirkte er deutlich nervöser, als wäre etwas Unvorhergesehenes passiert.
Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her, stieß sogar beinahe den Kamillentee
um. Dann flüsterte er seinem Intendanten ein paar Worte ins Ohr, nahm seine
Jacke und verließ das Café. Durch die Fenster sahen wir ihn in Richtung
Bühneneingang des Theaters verschwinden. Wir versuchten, weiter über die
Generalprobe zu diskutieren, doch auf seltsame Weise waren alle unkonzentriert.
Ich merkte es selbst an mir, ich sprach, ohne mich wirklich auf das Gesagte zu
fokussieren, sah ab und zu nach draußen und verlor meine Gesprächspartner immer
häufiger aus dem
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