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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas
Autoren: Dämonenpforte Die
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Weil er den abgedrehten Urgroßonkel niemals kennengelernt hatte. Dabei war Marthelm anscheinend der Einzige in seiner Familie gewesen, der sich für ähnliche Dinge wie er selbst interessiert hatte – Dämonen, Zeitreisen, Magie.
    Hanno Bußnitz schaltete den verchromten Automatikhebel auf »Drive« und sie rollten los. Im Seitenspiegel sah Marian, wie ihr gestrandeter Golf kleiner und kleiner wurde und schließlich im Dunkel am Rand des Moors zurückblieb. Er saß mit der Vorderachse auf einem Steinbrocken fest und hatte sich weder durch Vollgas noch durch Lindas Wutausbrüche von der Stelle bewegen lassen. Zuvorkommend hatte Bußnitz angeboten, sie in seinem Wagen zum Hotel zu fahren und morgen auch bei einer Werkstatt anzurufen, die sich um ihr Auto kümmern würde. Linda war nichts anderes übrig geblieben, als ihre Wut herunterzuschlucken und das Angebot des alten Mannes anzunehmen.
    Es war das erste Mal, dass Marian in einem Cadillac Baujahr 49 oder einem auch nur annähernd vergleichbaren Oldtimer fuhr. Überall rotes Leder, Wurzelholz, schimmernde Chromleisten. Alles reichlich in die Jahre gekommen, aber so stylish wie nur möglich. Die Stoßdämpfer ächzten ganz leise, wenn sie durch Schlaglöcher fuhren. Doch der Achtzylindermotor schnurrte so samtweich wie ein Kater, der sich den Bauch kraulen ließ.
    »Wenn es mir gelungen ist, eine der Quellen dieser Schreie einzukreisen, fange ich an, im Moor zu graben«, fuhr Bußnitz fort. »Bisher bin ich über kurz oder lang noch jedes Mal auf einen Grabhügel gestoßen, mit einem Baumsarg darin, wie du sie in meinem Keller gesehen hast.«
    Hinter ihnen auf der Rückbank saß Linda, schläfrig nach ihrer langen Reise und den Aufregungen zum Schluss. Wachgehalten höchstens noch durch ihre Sorge, dass der Professor vielleicht doch ein durchgeknallter Psychomörder war. Aber das ist er ganz bestimmt nicht, dachte Marian.
    Er buddelte die Baumsärge aus dem Moor aus, erzähl te der Professor weiter, und brachte sie zu sich nach Hause. In seinem Keller löste er vorsichtig die obere Hälfte des Sargdeckels ab, damit die Toten so aus ihren Behältnissen hervorschauen konnten, wie das auf gewissen steinzeitlichen Höhlengemälden zu sehen war. Damit sich die Leichen und die Särge an der frischen Luft nicht zersetzten, lasierte er sie mit einem speziellen Lack, der bei soundso viel Grad Celsius zu einem bruchfesten Panzer härtete. »Auf diese Weise kann ich die Steinzeitleute in meinem Keller aufbewahren, bis ich alle neune beisammenhabe. Fünf sind es ja schon«, fügte er vergnügt hinzu, »wie du eben gesehen hast.«
    »Was wollen Sie denn eigentlich damit?«, fragte Marian. »Und wie kann es überhaupt sein, dass diese – diese Schreie immer dort zu hören sind, wo Sie die Leichen ausgraben?«
    »Das genau sind die Punkte, auf die es hier ankommt.« Der Professor nickte mehrfach. »Und ich muss gestehen, dass ich bis heute auf beide Fragen noch keine wirklich befriedigenden Antworten gefunden habe. Aber Tatsache ist erstens, dass die grässlichen Schreie im Moor sofort und dauerhaft verstummen, wenn der Baumsarg an der betreffenden Stelle ausgegraben und fortgeschafft worden ist. Und Tatsache ist zweitens, dass auf einer ganzen Reihe steinzeitlicher Höhlengemälde solche Baumsärge zu sehen sind: aufrecht stehend, neun an der Zahl, im Oval auf einer Waldlichtung angeordnet. Allem Anschein nach handelt es sich um eine magische Zeremonie, die den Zweck hat, die Toten in den Baumsärgen zu …«
    Er unterbrach sich und warf einen Blick in den Rückspiegel. »Wir wollen deine Mutter nicht noch mehr beunruhigen«, fuhr er mit gedämpfter Stimme fort. Er bremste den Cadillac ab und kurbelte an dem Lenkrad, das viel größer und dünner war als in modernen Autos. Sie bogen nach rechts auf die reguläre Straße ein.
    Aber schon nach wenigen hundert Metern fuhr Bußnitz abermals nach rechts ab. »Diesen Weg hättet ihr vorhin nehmen müssen«, sagte er. »Mein Fehler, dass ich deine Mutter nicht davor gewarnt habe, stattdessen in meine Zufahrt einzubiegen.«
    Marian zerbrach sich den Kopf, was er darauf antworten sollte. Eigentlich war er ja heilfroh, dass sie vorhin falsch abgebogen waren. Sonst wäre er nie in dem coolen Cadillac des Professors gefahren und hätte nichts von dessen magischen Forschungen erfahren. Aber das einfach so zuzugeben wäre ihm wie Verrat an Linda vorgekommen. Diese Skrupel änderten allerdings nicht das Geringste daran, dass er vor Ungeduld
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