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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas
Autoren: Dämonenpforte Die
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werden – und so jung und frisch »wiederkehren« konnte, wie es der grüne Blätterkranz versprach.
    Marian hatte schon einiges über die Beschwörungsmagie von Alchimisten und Rosenkreuzern, von Voodoopriestern und Kabbala-Kundigen gelesen. Auch von den Riten und dem Geheimwissen der Freimaurer war in diesen Büchern immer wieder die Rede gewesen. Aber er hatte jedes Mal den Eindruck gehabt, dass die Autoren selbst nicht so ge nau wussten, worüber sie da schrieben. Sie waren schließlich keine Eingeweihten – die wirklichen Adepten, die Initi ierten und Erleuchteten, hatten allesamt heilige Eide ge schworen, die Geheimnisse ihrer Orden, Logen und Bruderschaften niemals an Unberufene weiterzugeben.
    Die alten Männer da drüben an Marthelms Grab je doch, das spürte Marian überdeutlich – diese sechs Brüder und ihr neuer Meister wussten ganz genau, wovon da eben in geheimnisvollen Andeutungen die Rede gewesen war. Von den Mysterien der Zeit und der Unsterblichkeit.
    War Urgroßonkel Marthelm am Ende gar nicht wirklich tot? Oder wussten die Männer seiner Bruderschaft zumindest, wie sie ihn wiedererwecken konnten? Und würden sie diese magische Zeremonie ausführen, wenn der Tag dafür gekommen war?
    Mit Linda und der restlichen »Hegendahl’schen Brut« ging Marian kurz darauf vom Friedhof zurück ins Hotel »Moorgraf«, wo der Leichenschmaus stattfinden sollte. Er fröstelte trotz der sommerlichen Hitze, und wie manchmal, wenn er sehr aufgeregt oder erschöpft war, begann er ein wenig zu schielen. Es war eine angeborene Fehlstellung seiner Augen, die ihm schon im Kindergartenalter weitgehend abtrainiert worden war und sich nur noch ab und zu bemerkbar machte.
    Aber auch Marthelm hat geschielt, dachte Marian. Er hatte das Schielen immer gehasst, doch nun kam es ihm wie das Zeichen einer geheimen Seelenverwandtschaft vor.

6

    Die Gaststube des Hotels »Moorgraf« war bis auf den letzten Platz mit Beerdigungsgästen gefüllt. Kellnerinnen gingen von Tisch zu Tisch, nahmen Getränkewünsche entgegen und verteilten Teller mit dampfend heißer Fleischbrühe. Anschließend würde es Kaffee mit Streuselkuchen geben, damit die »schmerzgebeugten Hinterbliebenen« Gelegenheit bekämen, ein paar Erinnerungen an den »lieben Verstorbenen« auszutauschen. Dann erst sollten Kopien des Testaments verteilt werden, in dem Marthelm Hegendahl festgelegt hatte, was mit seinen irdischen Besitztümern geschehen sollte.
    So jedenfalls stand es in goldenen Lettern auf schwarz umrandeten Karten zu lesen, die entlang der Tischkanten aufgereiht standen. Jede mit dem Namen eines Trauergastes versehen und in goldener Schnörkelschrift unterzeichnet:

    Dr. Karl Godobert, Meister der Loge
    zu den Spiegeln des Lichts

    Eine Karte mit seinem eigenen Namen fand Marian erst nach längerem Suchen. Weit weg von Linda, noch weiter weg von den Brüdern der Freimaurerloge, die in einem kleinen Nebenraum beisammensaßen. Im Vorbeigehen bekam er mit, wie sie ihre Gläser auf »unseren erleuchteten Meister Marthelm« erhoben – »möge seine Reise durch das ewige Licht günstig verlaufen«. Weiterhin schienen sie heiterer Stimmung zu sein. Ihre Hüte hatten sie sowenig abgelegt wie ihre Schärpen. Auch die Kelche, die sie auf das Wohl von Marthelm Hegendahl leerten, waren mit Freimaurersymbolen übersät. Dass man sich in der Gaststube, an den Tischen der lieben Hinterbliebenen, über die »alten Krähen« und ihren »senilen Hokuspokus« lustig machte, schienen sie entweder nicht zu bemerken oder großzügig zu überhören.
    Vielleicht war es mit der Weisheit der Freimaurer aber doch nicht so weit her, dachte Marian kurz darauf. Notgedrungen hatte er sich an den ihm zugewiesenen Platz gesetzt – ganz hinten in der Gaststube, wo für die Hegendahl’schen Kinder und Jugendlichen gedeckt worden war. Hi, Aaron. Hallo, Inka. Großartige Gelegenheit, sich wieder mal mit den Cousins und Cousinen zu unterhalten, die ihn schon beim letzten und beim vorletzten Familienfest zu Tode gelangweilt hatten. Ah, Jannik und Jessica, auch dabei?
    Die ganze Bande natürlich wieder bis zum Gehtnichtmehr mit den neuesten Markenklamotten aufgestylt. Sogar die Zahnspangen-Kids, die an ihrem Tisch auch reichlich vertreten waren, protzten mit Edellabels. Auch Marian hatte sich zu Ehren von Urgroßonkel Marthelm neu ein gekleidet – mit schwarzen No-Name-Jeans und einem ge nauso tintenfarbenen Leinenjackett made in China.
    Aaron, Inka & Co. hatten sein Outfit in
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