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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas
Autoren: Dämonenpforte Die
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versackte. Zumal es in dem Durcheinander aus uralten Baumriesen, Gestrüpp und umgekrachten Stämmen weit und breit keine Wege gab.
    Der Bannfluch hatte ihnen Pfade vorgegaukelt, wo bloß Dornen und Dickicht waren, und das ganze Gehölz mit Trugbildern und unheimlichen Geräuschen gefüllt. Jetzt aber wirkte das Hexenholz still und leer. Und vor allem war es viel kleiner, als Marian und Billa nach ihren nächtlichen Irrmärschen geglaubt hatten.
    Sie waren erst höchstens eine halbe Stunde gerannt, da zeichneten sich hinter den Bäumen bereits die Umrisse des Logenhauses ab. Noch immer flog der Papagei in geringer Entfernung vor ihnen her.
    Konnte es wirklich sein, dass dieser Vogel Billas ver hexter Zwillingsbruder war? Jakob, in einen Papagei verwandelt – durch den Zauber, den Klotha und die anderen an der Marieneiche veranstaltet hatten? Aber konnte überhaupt irgendwas von dem, was sie in den letzten Ta gen erlebt hatten, wirklich passiert sein?
    Na klar, dachte Marian. Die Grenzen zwischen wirklich und eingebildet, jetzt und früher waren längst nicht so undurchlässig, wie die Leute im Allgemeinen glaubten. Es gab unzählige Pforten, Fenster, Passagen. Und zweifellos wusste Marthelm ganz genau, wo in der Geisterwelt sich der Übergang befand, der zum dunklen Glas unter dem Logenhaus führte. Schließlich hatte er selbst dieses Sphärenfenster erschaffen, und ganz bestimmt war er mehr als einmal dort hindurchgegangen – hinüber in die Dämonenwelt und wieder zurück.
    Außer Atem rannten Billa und Marian auf das ehemals Hegendahl’sche Anwesen zu. Im Laufen griff Marian nach dem goldenen Anhänger, der vor seiner Brust hin und her schlenkerte. Wie kühl sich das Pentagramm anfühlte. Kalt und schwer lag es auf seiner Hand. Er um schloss es fest mit allen fünf Fingern – und da plötzlich sah er den Famulus vor sich. Als wäre in seinem Sichtfeld ein zweites Fenster aufgegangen, so klar und deutlich erblickte er Julian. Mit schwebender Leichtigkeit lief der Rabe durch die Geisterwelt. Dicht hinter ihm die Golems im Gänsemarsch, und Julian schien ganz ge nau zu wissen, wohin er die Ungeheuer führen musste.
    Der Famulus besaß zwar kein Talmibro mehr, aber sein Meister hatte offenbar bereits eine andere Möglichkeit gefunden, mit ihm Verbindung aufzunehmen und ihn zu einer Öffnung im Schattenfels zu lenken, die zu einem Labyrinth von Gängen führte und schließlich zu jenem kreisrunden Platz vor dem Pfortenglas unter Marthelms Haus. Marian umklammerte das Pentagramm noch fester. Das Bild wurde klarer – jetzt sah er, dass Julian ein Band um sein linkes Handgelenk trug. Ein funkelnd grauer Edelstein saß mitten darauf, von der Form eines Trop fens, und alle paar Schritte fasste der Famulus nach dem Stein und nickte dann oder schloss kurz die Augen – ganz so, als hätte er auf magischem Weg neue Weisungen erhalten.
    »Schneller«, keuchte Marian. »Sonst … zu spät!« Er bekam nur noch Satzfetzen heraus, aber Billa verstand ihn auch so. Sie nickte ihm zu, ihr Blick ging zu dem Pentagramm in seiner Hand und wieder schien sie ohne viel Gerede zu begreifen. So schnell es auf dem holpri gen Weg, mit ihren ausgepumpten Lungen überhaupt ging, rannten sie weiter auf die Rückfront des Logenhauses zu.
    Du hast mich betrogen, Marthelm, dachte Marian dabei. Mich benutzt und betrogen, von Anfang an. Trotz dem fühlt ein Teil von mir immer noch riesigen Respekt vor dir. Wünscht sich nichts stärker, als wie du zu werden. Ein Erleuchteter, ein Weltenwanderer, ein großmächtiger Magier.
    Den Schlüssel zum Logenhaus trug er noch um seinen Hals. Er riss sich den Lederriemen im Laufen runter, doch vor dem Tor musste er erst mal ein paar Atemzüge Luft holen. Keuchend stand Billa neben ihm, vorgebeugt, die Hände auf ihre Knie gestützt. Der Papagei hockte auf dem Mauerfirst, äugte stumm zu ihnen herab.
    Mit zittriger Hand stieß Marian den altertümlichen Schlüssel ins Schloss. Drehte ihn, warf sich gegen das Tor. Mit einem rostigen Kreischen schwang es auf – und währenddessen rannten der Famulus und die Golems durch einen dämmrigen Tunnel, auf ein kreisrundes Licht zu, das mit jedem ihrer Schritte größer wurde.
    »Nicht nach vorn«, japste Marian. »Keine Zeit!« Er rannte auf die Rückfront des Logenhauses zu, drückte die mittlere Fensterluke auf, schlängelte sich mit den Füßen voran in den oberen Keller. Da ließ Julian das Felslaby rinth bereits hinter sich und trat auf den runden Platz vor dem
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