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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas
Autoren: Dämonenpforte Die
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umher. »Morbilatus!«, rief Billa wieder. »Morbilatus … Morbilatus!«
    Für einen Moment wurde Marian erneut schwarz vor Augen. Als er wieder klar sehen konnte, erkannte er ge rade noch im zuschnappenden Talmibro, wie der Rabe Julian aus ihm hervorgeflogen kam – ein Schemen mit flatterndem Wams und wehenden Haaren, der zu den Golems in die Geisterwelt hinüberraste.
    »Verfluchter Rabe!«, rief er ihm hinterher.
    Mit sirrendem Knall zersprang das Talmibro in tau send Stücke. »Hey, was war das denn?« Ungläubig wendete Billa ihre Hände hin und her. Die waren mit Ruß und Schlamm beschmiert, doch das Talmibro war nicht mehr da. Funkelnde Staubflusen rieselten auf sie nieder, verblassten zu Nebelfetzen, bevor Billa sie mit den Händen auffangen konnte.
    »Vergiss das verdammte Ding«, sagte Marian und be fühl te vorsichtig seinen wund gewürgten Hals. »Sie sind alle weg. Es ist vorbei!« Er kniete noch immer vor ihr auf dem Hexenhügel und jetzt breitete er die Arme aus. »Darf ich’s wagen, um Ihre Hand zu bitten, Jungfer?«
    Billa erstarrte. Im nächsten Augenblick stürzte sie sich mit einem Schrei auf ihn. »Mann, Marian – mir ist fast das Herz stehen geblieben!«
    Ineinander verschlungen wälzten sie sich über den blank geschlürften Felsboden. »Beweis mir, dass du nicht mehr dieser blöde Famulus bist«, verlangte sie keuchend.
    »Und wie soll das gehen?«
    »Küss mich, wie kein Rabe küssen kann.«
    »Nur, wenn du endlich dein Versprechen einlöst.«
    »Mein Versprechen?« Im Liegen riss sie sich sämtliche Amulette runter, das Medaillon, das Zahndiadem. »Dir zeigen, wie Hexenliebe geht?« Ihre Stimme klang wieder eine Spur kratzig und in ihren Augen tanzten blaue Flämmchen. »Mann, Marian, dann komm endlich her!«
    Sie küssten sich erst zärtlich, dann stürmisch, dann wieder zärtlich. Ein Rest von Sylvenia war immer noch in ihr, das spürte Marian ganz deutlich, und er liebte sie dafür nur umso mehr. Das Hexenbiest würde nie mehr die Kontrolle über Billa gewinnen – sie selbst konnte nun ihre Hexenkraft einsetzen, wie es ihr gut und richtig schien.
    Zum Beispiel für Hexenliebe.
    Um sie herum wurde es langsam Morgen, aber sie achteten nicht darauf. Seit um Mitternacht der doppelte Bannfluch geendet hatte, schlichen keinerlei Blutspeier oder sonstige Spukgestalten mehr durchs Dickicht. Doch selbst wenn in sämtlichen Bäumen und Büschen verwunschene Seelen gewehklagt hätten, aus allen Erdspalten gurgelnde Leichen gekrochen wären – Billa und Marian hätten es nicht gemerkt.
    »Ist es wirklich vorbei?«, flüsterte sie irgendwann.
    »Total und für immer«, sagte er. »Du hast die Biester ja selber weggebeamt. Und das Talmibro ist auch geschrottet – für die Golems gibt es kein Zurück mehr. So wenig wie für Julian.«
    Er wollte sie wieder an sich ziehen, aber Billa schob ihn sanft von sich weg. »Hast du das nicht gehört?«
    »Nix hab ich gehört«, murmelte er. »Weil da gar nix war.«
    Sie setzte sich auf, fuhr sich mit den Händen durch ihr völlig verstrubbeltes Haar. »Da oben«, sagte sie, »ir gendwo da oben muss er sein.«
    Auch Marian richtete sich jetzt auf. Sein Gesicht fühlte sich heiß an und im Morgenlicht sah Billa gleichfalls ziemlich erhitzt aus.
    Sie beschirmte ihre Augen mit der flachen Hand. »Schau doch«, sagte sie, »direkt über uns auf dem Ast.«
    Jetzt sah Marian ihn auch. Fast gleichzeitig sprangen sie beide auf. Hoch über ihnen, zwischen Zweigen und Blättern, saß tatsächlich der Papagei.
    »Jakob!«, rief Billa. »Komm her – es ist alles vorbei!«
    Doch der Papagei blieb, wo er war. Er äugte zu ihnen runter, schlug mit den Flügeln und klapperte mit dem Schnabel. Dazwischen stieß er immer wieder die gleichen Worte hervor. »Goo – lem«, rief er ein ums andere Mal. Er sprach so klar und deutlich, wie Papageien überhaupt reden können. »Kel – 1er!«
    Marian und Billa sahen sich an. Heiliger Mist, wieso hatten sie nicht selbst dran gedacht – es war noch lange nicht vorbei. Sie packten sich bei den Händen und rann ten los.

78

    »Jakob«, rief Billa, »warte!«
    Der Papagei flog ihnen voraus, in geschicktem Zickzack zwischen den Bäumen. Stolpernd und keuchend rannten sie hinter ihm her. Doch auch ohne geflügelten Führer hätten sie den Rückweg diesmal leicht gefunden: Das Hexenholz war nur noch ein ganz normaler Wald. Ziemlich verwildert zwar, und nach wie vor musste man die Augen offen hal ten, damit man nicht in einem Moorloch
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