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Godspeed | Die Ankunft

Godspeed | Die Ankunft

Titel: Godspeed | Die Ankunft
Autoren: Beth Revis
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ihn ärgern, dass ihn sein Körper auf diese Weise im Stich lässt.
    »Was ist passiert, Heller?« Ich will nicht zusehen, wie Kit den Faden durch sein merkwürdig weißes Fleisch zieht. Mein Blick wandert zurück zu den schmelzenden Kryo-Boxen, und ich muss mich zwingen, mich wieder auf den Verletzten zu konzentrieren. Ich habe mich schon viel zu sehr ablenken lassen.
    »Keine Ahnung«, knurrt er. »Ich habe nur dagesessen, festgebunden, und dann ist eine Metallplatte über mein Bein gerutscht und hat es aufgerissen.«
    »Die Tür von einem der Kaninchenkäfige hat sich gelöst«, sagt Kit und zieht den Faden stramm. »Sie hat auch ein paar der anderen verletzt.«
    »Was ist mit den Kaninchen passiert?«
    Kit deutet mit einem Kopfrucken auf die Wand nahe dem Genlabor. Dort ist alles blutverschmiert. Ich muss kräftig schlucken, um mich nicht sofort zu übergeben.
    »Hast du zugeschaut?«, fragt Kit und verknotet einen der Fäden. »Wie ich das gemacht habe?«
    »Als würde man Stoff nähen«, sage ich. Nicht, dass ich in meinem Leben viel genäht hätte, aber auf dem Schiff musste ich lernen, meine Hosen passend zu machen.
    »Ganz genau so.« Sie drückt mir Nadel und Faden in die Hand. »Und jetzt nimm dir den nächsten Patienten vor.«
    »Ich soll eine Wunde nähen?«
    Kit nickt.
    »Was ist mit diesem Schaumzeug?«, frage ich. Als ich von Doc angeschossen wurde, hat Kit einen Schaum in die Wunde gesprüht, was sie besser verschlossen hatte als jede Naht oder jeder Verband.
    »Wir haben nicht viel davon. Wir sollten es für Notfälle aufbewahren.«
    »Das ist doch ein Notfall!«
    Kit schüttelt den Kopf und kniet schon beim nächsten Verletzten. »Nicht Notfall genug.«
    Einen Moment lang stehe ich verunsichert da und weiß nicht, was ich tun soll. Junior ist zwar in der Nähe, aber er ist damit beschäftigt, anderen zu helfen. Es macht mich unglaublich stolz zu beobachten, wie sie ihn ansehen, ihm trotz allem immer noch vertrauen.
    In der Nähe der Wand stöhnt eine Frau. Sie kann den Blick nicht von den drei Toten abwenden, die die Landung nicht überlebt haben. Einen Moment lang denke ich, dass sie deswegen so aufgestöhnt hat, doch dann sehe ich den Blutstrom, der an ihrem Arm herunterläuft.
    Ich hocke mich neben sie, doch sie nimmt mich kaum wahr. Vorsichtig ziehe ich ihre Bluse zur Seite – eine gezackte Wunde führt quer über ihr Schulterblatt.
    »Ich nähe das für Sie, einverstanden?«, sage ich und versuche, zuversichtlich zu klingen.
    Als sie kurz zu mir aufschaut, sehe ich ihren angsterfüllten Blick. Ich frage mich, ob sie nicht von mir behandelt werden will, weil
ich
es bin und weil ich anders aussehe, aber dann schaut sie wieder weg und dreht ihre Schulter in meine Richtung.
    »Weißt du denn, wie man das macht?«, fragt sie mit tonloser Stimme.
    »Natürlich«, lüge ich. Was sollte ich sonst sagen?
    Beim ersten Stich ziehe ich zu stark und reiße den Faden durch ihre Haut. Sie stöhnt vor Schmerzen, doch als ich mich entschuldigen will, schüttelt sie nur den Kopf. Sie hat die Augen fest geschlossen, und ich begreife, dass sie nur will, dass es endlich vorbei ist.
    »Wie heißen Sie?«, frage ich und versuche es mit derselben Ablenkungstaktik wie bei Heller.
    »Lorin«, antwortet sie knapp. Doch als ich eine Unterhaltung beginnen will, merke ich schnell, wie sie ihre Lippen aufeinanderpresst und ihre Augen nach wie vor fest zukneift.
    Sie will nicht reden.
    Ich halte die Luft an und steche die Nadel schnell ein und aus, ein und aus. Nachdem es geschafft ist, kann ich endlich weiteratmen.
    »Danke«, murmelt sie.
    Ich sprühe die Wunde mit Desinfektionsmittel ein und gehe weiter zum nächsten Patienten.
     
    Ich verliere jedes Zeitgefühl und weiß nicht, wie lange es noch dauert, bis meine Eltern aufwachen, denn mein Körper funktioniert jetzt wie eine Maschine, weil mein Kopf nicht sehen will, was meine Hände machen. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, wie die Nadel in menschliches Fleisch sticht; ich bemühe mich, nicht auf das Geräusch zu achten, wenn der Faden durch die blutige Haut gezogen wird. Ich arbeite so konzentriert, dass ich erschrocken zurückfahre und die Nadel fallen lasse, als plötzlich ein schrilles Kreischen durch das Shuttle hallt.
    Wie jeder andere schaue ich unwillkürlich nach oben – doch da ist nichts außer der Metalldecke.
    »Das war draußen«, sagt Junior leise und hockt sich neben mich.
    Ich sehe ihn mit großen Augen an. »Was war es?«
    »Irgendwas
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