Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Godspeed | Die Ankunft

Godspeed | Die Ankunft

Titel: Godspeed | Die Ankunft
Autoren: Beth Revis
Vom Netzwerk:
hereindringt, ist ohrenbetäubend, aber ich kann auch einzelne Schreie der 1456 Passagiere im Kryo-Bereich heraushören.
    Und dann halten wir an.
    Wir sind nicht gelandet – wir schweben über den Baumwipfeln –, aber wir bewegen uns nicht mehr vorwärts. Wir sind nicht abgestürzt.
    Das Shuttle ist nicht vollständig stabil und ich kann unter unseren Füßen ein Zischen hören: Die Raketen schießen in den Boden, was uns in Position hält.
    »Shuttle landen? Bitte Ja oder Nein wählen«, sagt die Computerstimme gewohnt freundlich.
    Junior und ich tauschen einen Blick. Es liegt keine Bedeutung darin, keine unausgesprochenen Worte – nur eine gemeinsame Empfindung.
Erleichterung.
    Doch statt nach dem blinkenden grünen Knopf zu greifen, nimmt er meine Hand. Seine Finger gleiten zwischen meine, und obwohl seine Hand schweißnass ist, ist sein Griff stark und fest. Was auch immer passiert, was auch immer uns auf der anderen Seite erwartet – wir werden uns ihm gemeinsam stellen. Junior bewegt unsere verschränkten Hände zum letzten Knopf und zusammen drücken wir ihn.
    Das Zischen klingt langsam ab, während das Shuttle auf den Boden sinkt. Ich merke erst jetzt, dass irgendwann in unserem wahnwitzigen Flug die Erdanziehungskraft eingesetzt hat und sich alles wieder schwer anfühlt, vor allem der Gurt, der mich am Stuhl festhält. Ich löse ihn hastig und springe zu dem wabenförmigen Fenster. Ich kann sehen, dass unsere Landung Spuren hinterlassen hat – die Bäume um uns herum sind nur noch rauchende Aschehaufen, und der Boden ist schwarz und glänzt, als wäre er geschmolzen. Bäume – Bäume! Echte Bäume, echter Boden, eine echte
Welt
! Gleich da draußen!
    Mit einem unerwarteten Ruck, der mich taumeln lässt, schalten sich die Raketen ab und wir fallen die letzten Meter auf die Oberfläche des Planeten.
    »Nun«, sagt Junior, der ebenfalls aus dem Fenster auf die verbrannte Erde schaut, »wenigstens leben wir noch.«
    »Wir leben noch«, wiederhole ich und sehe ihm in die strahlenden Augen. »Wir leben noch!« Junior umfasst meine Handgelenke und zieht mich auf seinen Schoß. Ich lasse mich in die sichere Wärme seiner Umarmung sinken und unsere Lippen treffen sich zu einem Kuss, der alles ausdrückt: unsere Angst, unsere Liebe und die Hoffnung, die diese neue Welt mit sich bringt. Wir küssen uns, als wäre es gleichzeitig unser erster und unser letzter Kuss. Verzweifelt und intensiv.
    Ich löse mich von seinen Lippen und schnappe nach Luft. Ich schaue Junior in die Augen … einen kurzen Moment lang sehe ich dort nur den Jungen, der mir alles über erste Küsse und zweite Chancen beigebracht hat. Aber dann verändert sich dieser Eindruck und ich sehe nicht mehr Junior. Ich sehe Orion. Hastig rutsche ich von Juniors Schoß, und obwohl ich mir einrede, dass er nicht Orion ist, kann ich nicht vergessen, wie Junior darauf bestanden hat, dass Orion mit uns kommt, als sollten seine Verbrechen mit einem ganzen Planeten belohnt werden statt mit ewigem Eis.
    Junior will mich wieder an sich ziehen und versucht aufzustehen, doch das klappt nicht. »Blöde Gurte«, murmelt er und muss sie erst lösen.
    Ich drehe mich um.
    Die Welt ist da draußen, auf der anderen Seite des Fensters.
    Die Welt.
    Unsere
Welt.
    »Wir haben es geschafft«, sage ich.
    »Allerdings«, bestätigt Junior, doch es gelingt ihm nicht, das Staunen aus seiner Stimme zu verbannen. »Das haben wir …« Seine Worte sind ein warmer Atemhauch in meinem Nacken.
    Ich drehe mich um, will ihm in die Augen sehen, doch mein Blick wandert unwillkürlich an ihm vorbei zur Tür – der Tür, durch die man in den Kryo-Bereich gelangt.
    »Meine Eltern«, flüstere ich.
    Endlich kann ich meine Eltern zurückbekommen.

[zurück]
4 Junior
    Ohne ein weiteres Wort stürmt Amy durch die luftdicht verschließbare Tür. Ihre Schritte hallen auf dem Metallboden und übertönen einen kurzen Moment lang die Schreie der 1456 Personen im Kryo-Bereich. Ich hole tief und zittrig Luft. Ich kann immer noch nicht fassen, dass wir es tatsächlich geschafft haben.
    Ich komme ins Grübeln. Was
war
es, das uns beinahe abstürzen ließ? Als wären wir von etwas
getroffen
worden.
    »Landesequenz abgeschlossen«, verkündet die Computerstimme. »Bitte übergeben Sie sofort nach erfolgter Reanimation das Kommando an den ranghöchsten Offizier aus der Kryo-Einheit. Verlassen Sie das Shuttle erst auf direkten Befehl. Vielen Dank für Ihren Beitrag zu unserer Mission.«
    Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher