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Godspeed | Die Ankunft

Godspeed | Die Ankunft

Titel: Godspeed | Die Ankunft
Autoren: Beth Revis
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»Ach so«, sage ich. »Dieser Teil ist tatsächlich super.«
    Sie atmet erleichtert auf, und ich weiß genau, was sie wirklich gedacht hat: War
dies alles
es wert? Dasselbe frage ich mich auch. Ich muss plötzlich wieder an Shelby denken, die Technikerin, die mir erklärt hat, wie die Landung funktioniert. Ohne sie wären wir in den Tod gestürzt. Was immer uns gerammt und vom Kurs abgebracht hat, wir sind wegen ihr noch am Leben.
    Und wegen einer Entscheidung, die ich getroffen habe, ist sie jetzt tot.
    Die Reihen der Kryo-Kammern erwachen zischend zum Leben. Mit einem ohrenbetäubenden Rattern schießen die Glassärge heraus und unter ihnen entfalten sich metallene Stützbeine. Dünne Roboterarme fahren über die Oberseiten, nehmen die Glasdeckel ab und verschwinden wieder in den leeren Kammern.
    Ein mechanisches Brummen erfüllt den Raum und übertönt sogar das Weinen und Schreien der Menschen. Die Metallarme fahren wieder heraus, diesmal mit dünnen Nadeln. Mit einer Abwärtsbewegung rammen sie die Nadeln ins Eis. Ich sehe Bläschen in der gefrorenen Kühlflüssigkeit aufsteigen. Schon jetzt tropft Wasser heraus, das sich auf dem Boden sammelt. Eine Neigung des Bodens, die so gering ist, dass ich sie bisher nie bemerkt habe, lässt das Wasser unter die Kammern laufen.
    Amy starrt unverwandt die Glassärge ihrer Eltern an.
    Wir können das jetzt nicht gebrauchen. Die Eingefrorenen werden uns nur Ärger machen. Wir müssen erst einmal den Verletzten helfen.
    Und … ich brauche
sie
. Ich brauche Amy. An meiner Seite, ohne dass sie in irgendwelche gefrorenen Glaskästen starrt. Ich spüre schon jetzt, wie jeder im Raum
außer
Amy mich ansieht und erwartet, dass ich für ihn da bin. Aber ich bin nicht sicher, ob ich das kann, solange Amy nicht bei mir ist.
    »Was kann ich tun?«, frage ich Kit und reiße den Blick von Amy los.
    Kit führt mich zur anderen Seite des Raums, wo sie eine Art provisorisches Lazarett eingerichtet hat. Die Krankenschwestern behandeln die kleineren Verletzungen, aber es gibt auch Dutzende von Leuten, die es schlimmer erwischt hat. Die Seile waren zu dünn und haben zum Teil tief ins Fleisch eingeschnitten. Sogar ich kann trotz meiner mangelnden Fachkenntnis erkennen, dass diese Wunden genäht werden müssen. Mehrere Leute haben ausgekugelte Schultern – wie der Mann, den Kit bereits behandelt hat. Es sitzen so viele Personen an der Wand, dass ich mich frage, ob sie alle so stark verletzt sind, dass sie nicht aufstehen können, oder ob es an etwas anderem liegt.
    Ich schaue zu Kit. Sie ist verzweifelt. Noch vor ein paar Tagen war sie nur ein Lehrling – Doc ist derjenige, der jetzt hier sein sollte, der all diese Probleme mühelos lösen könnte. Aber Doc war leider selbst ein Problem.
    Kit hat hellgrüne Medipflaster in den Händen. Phydus.
    »Nein«, sage ich, und es ist ein Befehl. Phydus war ein Teil der
Godspeed
und die Droge hat uns jahrhundertelang gefügig gemacht. Aber hier wird das nicht passieren, denn die Droge hat in einer Welt ohne Wände und ohne Lügen nichts mehr zu suchen.
    Kit will protestieren, aber an der Art, wie ich sie ansehe, muss sie etwas vom Ältesten in mir erkennen, denn sie steckt die Phyduspflaster wortlos wieder weg.
    »Amy«, rufe ich auffordernd über die Schulter.
    »Gleich«, ruft sie zurück und wendet den Blick nicht von ihren gefrorenen Eltern ab.
    »Amy.«
Jetzt ist es eine Anordnung.
    Sie schaut zu mir auf, mein Ton hat sie verletzt.
    »Wir brauchen Hilfe.«
    »Gleich«,
sagt sie noch einmal.
    »Sofort.«
    An dem hasserfüllten Blick, den sie mir zuwirft, merke ich, dass auch sie jetzt etwas vom Ältesten in mir sieht.
    Aber sie lässt die Glassärge zurück und kommt auf uns zu. Ihr mürrischer Blick verschwindet jedoch sofort, als sie die vielen Verletzten sieht, die ihr anscheinend erst jetzt auffallen. »Was kann ich tun, um zu helfen?«, fragt sie ernst.
    Hinter ihr tropft unaufhörlich das Wasser aus den gläsernen Särgen.

[zurück]
5 Amy
    Ich sehe zu, wie Kit die Risswunde am Bein eines Mannes näht. »Wie heißen Sie?«, frage ich, um den Mann und mich selbst von den Unmengen Blut abzulenken, die über sein Knie strömen.
    »Heller«, stöhnt der Mann. Er gehört zur mittelalten Generation der
Godspeed
, doch während bei seinen Altersgenossen bereits der körperliche Verfall einsetzt, sieht Heller aus, als wären seine Knochen aus Stahl und seine Haut aus Leder. Er wirft einen verächtlichen Blick auf seine Beinwunde, als würde es
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