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Godspeed | Die Ankunft

Godspeed | Die Ankunft

Titel: Godspeed | Die Ankunft
Autoren: Beth Revis
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Körper ist taub.
    Geruchs- und Geschmackssinn sind auch weg.
    Das Einzige, was noch funktioniert, sind meine Augen, und die sind starr auf das gerichtet, was vor mir ist. Der Boden scheint uns förmlich entgegenzuspringen, während wir darauf zurasen. In dem verschwommenen Bild, das sich mir bietet, erkenne ich die Umrisse von Land – einem Kontinent. Sofort bin ich von dem Verlangen erfüllt, dieses Land zu erforschen, es zu unserer Heimat zu machen.
    Meine Augen verschlingen das Bild des Planeten, aber mir krampft sich der Magen zusammen bei der Erkenntnis, dass dies eine Küstenlinie ist, die ich nie zuvor gesehen habe. Ich könnte einen Globus der Erde herumwirbeln lassen und würde trotzdem noch erkennen, wie Spanien und Portugal in den Atlantik ragen, könnte den Golf von Mexiko ebenso bestimmen wie das spitze Ende von Indien. Aber dieser Kontinent hat Wellen und Kurven, die ich nicht kenne. Er liegt in einem mir unbekannten Meer mit Halbinseln in Formen, die mir nichts sagen, die ich nie gesehen habe.
    Und erst als ich das alles betrachte, wird mir klar, dass diese Welt zwar vielleicht eines Tages unsere Heimat sein wird, aber es ist nicht die Heimat, die ich zurückgelassen habe.
    »Mist, Mist,
Mist
!«, schreit Junior und zerrt so hart am Steuer, dass die Venen an seinem Hals hervortreten.
    Ich schlucke – jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sentimental zu werden. »Was sollen wir tun?«, überschreie ich das Piepen und die anderen Alarmtöne, die das Schaltpult von sich gibt.
    »Ich weiß es nicht; ich habe
keine Ahnung

    Ein Berg ragt vor uns auf und scheint parallel zu unserer Flugbahn zu verlaufen, doch erst als wir darüber hinwegfliegen, wird mir klar, dass wir nicht daran zerschellen werden.
    »Bodenkontakt in T minus fünf Minuten, ursprüngliche Landesequenz abgebrochen«, sagt die Computerstimme so ungerührt wie immer, und ich wünschte, sie wäre ein echter Mensch, weil ich ihr dann ins Gesicht boxen würde.
    »Stürzen wir ab?«, keuche ich und reiße den Blick vom Fenster los, um Junior anzusehen.
    Er ist blass und angespannt. Er schüttelt den Kopf, aber ich weiß, dass er damit nicht sagen will: »Nein, wir stürzen nicht ab.« Dieses Kopfschütteln bedeutet vielmehr: »Ich weiß es nicht, es könnte gut sein.«
    Mein Blick huscht zu einer runden Anzeige auf der Kontrolltafel – sie enthüllt eine Horizontlinie, die wie wild herumhüpft.
    In meiner Nähe blinkt ein beleuchteter Schalter, und ich lese, was darin eingraviert ist: STABILISATOR . Klingt das nach einer Lösung? Ich weiß es nicht. Junior strengt sich an, das Shuttle ruhig zu halten, und obwohl ich nicht weiß, ob es richtig ist, drücke ich auf den Knopf.
    Der Horizont auf der Kontrolltafel taucht ganz nach unten ab und saust dann wieder nach oben, was mich in meinem Sitz herumschleudern lässt wie in einer Achterbahn. Kleine Lämpchen zeigen an, dass am Boden des Shuttles Raketen gezündet wurden, die uns ausbalancieren, bis wir eine ruhige Lage einnehmen und sich unser Flug verlangsamt.
    »Was zum …«, beginnt Junior, doch eine Fehlzündung der Raketen schneidet ihm das Wort ab, und dann fallen wir senkrecht vom Himmel.
    Vor Schreck beginne ich, panisch zu kreischen.
    Junior schlägt mit der Faust wahllos auf irgendwelche Knöpfe. Wir fallen so rasend schnell, dass alles, was ich draußen sehe, verschwimmt und die Farben miteinander verschmelzen lässt.
    Die Horizontlinie taucht wieder ab, als Juniors Knopfdrückerei wirkt – und sofort wieder versagt –, was uns weiterhin ungebremst in die Tiefe stürzen lässt. Irgendwelche Raketen zünden und umhüllen unser Shuttle mit rotgelben Flammen –
    »Bodensensoren melden möglichen Landeplatz«, übertönt die Computerstimme das Geheule der Warnsirenen. »Raketen für Landesequenz zünden, Ja oder Nein?«
    Wieder leuchten das grüne J und das rote N auf.
    »Drück drauf!«, schreie ich, doch Junior schlägt bereits mit der Faust auf das grüne J .
    Jetzt schießen weißblaue Flammen über das Shuttle, es gibt einen Ruck und wir werden langsamer. Die plötzliche Veränderung raubt mir den Atem. Und wie aus dem Nichts setzen meine anderen Sinne wieder ein. Alles wird wieder real. Ich schmecke Kupfer – ich habe mir so fest auf die Lippe gebissen, dass sie blutet – und ich merke jetzt schon, dass ich blaue Flecke von dem zu strammen Sicherheitsgurt um meine Hüften und meine Brust bekommen werde. Der Lärm, der von der anderen Seite der Tür zu uns
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