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Go West - Reise duch die USA

Go West - Reise duch die USA

Titel: Go West - Reise duch die USA
Autoren: Rau Sandy und Gina
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taten wir denn auch.
    Wenn man nicht langsam auf die Stadt zufährt und sich so an die näher rückende Skyline gewöhnen kann, sondern wie wir aus einem U-Bahnhof kommt und urplötzlich Marmor, Stein, Stahl und Glas auf einen einstürzen, dann bleibt einem die Luft weg. Obwohl die Gebäude in der 33th Street , auf die wir traten, eigentlich nicht sonderlich beeindruckend sind, ist die Architektur doch so anders als bei uns zu Hause. Unzählige Yellow Cabs , die gelben Taxis, standen am Straßenrand oder fuhren die Straße hinunter. Man konnte glauben, dass keine anderen Fahrzeuge in Manhattan zugelassen wären.
    Liz sah auf die Uhr. »Halb zwölf. Jede Menge Zeit. Was meint ihr, wollen wir zur Südspitze laufen? Ist allerdings ein gutes Stück zu Fuß. Was haltet ihr von einem Picknick im Bryant Park und einem Spaziergang über den Broadway ?«
    »Auf dem Broadway bin ich zu Hause«, sagte Gina.
    »Na, denn los!«
    Liz übernahm die Führung. Ab und zu musste sie warten, weil meine Schwester oder ich stehen blieben und wieder und wieder irgendetwas bestaunten. Wir liefen ungefähr eine Stunde lang die 8th Ave hinunter, und mit jedem Block wurden die Gebäude höher. Allein die Straße hinunterzuschauen war ein Eindruck für sich. Irgendwann hielt ich an, hielt die flache Hand an die Granitplatte eines Wolkenkratzers und starrte nach oben. Liz betrachtete mich amüsiert von der Seite, als ich mit in den Nacken gerecktem Kopf und offenem Mund dastand und wie eine Närrin aussehen musste.
    »Wow!«, entfuhr es mir. »Ist ja unfassbar! Wie zum Teufel baut man das? Und was macht ihr bei Erdbeben?«
    Liz lachte schallend. »An der Ostküste gibt es keine Erdbeben. Unter Manhattan liegt Felsgestein. Sand würde diese Massen an Gewicht nicht tragen. Und wie man das baut, kann ich dir zeigen.«
    »Hä?«, machte ich. »Du baust Wolkenkratzer?«
    »Nein, aber ich kenne eine Stelle, an der sie gerade ein altes Haus abgerissen haben und ein neues hochziehen. Hast du ’n Fernglas dabei?«
    »Wie? Ein Fernglas? Nein, hab ich nicht.«
    »Na, mal sehen, wie weit sie sind. Vielleicht geht’s auch ohne.«
    »Wo gehen wir denn hin?«, fragte Gina. Ich hielt meinen Kopf wieder gerade, weil mein Nacken mittlerweile schmerzte.
    »Na, zu einer Baustelle. Liegt auf dem Weg.«
    Als wir dann an der Baustelle angelangt waren und Liz wortlos mit ausgestrecktem Arm nach oben wies, konnte ich nicht fassen, was ich sah. Hoch über uns, so hoch, dass ich die einzelnen Gesichter der Arbeiter nicht mehr unterscheiden konnte, ragten Stahlträger aus dem Skelett des noch nicht fertig gestellten Hochhauses hervor und schwebten über der Straße. Auf diesen Trägern turnten Menschen herum! Ich war so verblüfft, dass ich unwillkürlich einen Schritt zur Seite machte. Hastig blickte ich mich um. Niemand hatte die Straße oder den Bürgersteig abgesperrt, der Verkehr floss dahin, und die Menschen liefen ahnungslos unter diesem gefährlichen Schauspiel entlang.
    »Das glaub ich nicht«, krächzte ich. »Wenn der runterfällt, ist er Matsch, und ich auch!«
    »Der fällt nicht«, sagte Liz überzeugt. »Das sind Mohawks. Sie gehören zu den Irokesen. Man sagt, sie sind das einzige Volk, das kein Schwindelgefühl kennt.«
    »Ja, aber …«, warf Gina unbehaglich ein, »… einen Fehltritt werden sie doch wohl kennen, oder?«
    »Unfälle mit Mohawks sind so gut wie unbekannt.« Liz hielt die Hand vor Augen, um gegen die Sonne hochschauen zu können. »Die Männer ihres Volkes bauen schon seit mehr als hundert Jahren Wolkenkratzer. Wenn etwas passiert, dann meistens mit einem der anderen Arbeiter.«
    Ich schauderte. »Und wenn die da oben zu den anderen gehören?«
    Liz grinste. »Dann könnte es sein, dass du gleich Matsch bist. Aber keine Sorge, direkt auf die Träger lassen sie nur Mohawks. Außerdem sind Fangnetze gespannt. Das ist Vorschrift. Man sieht sie von hier aus kaum, aber sie sind da. Früher hatte man vor, die Arbeiter an Sicherungsseilen laufen zu lassen, aber das lehnten die Mohawks ab, weil sie sich durch die Seile behindert fühlten. Also gibt’s jetzt die Netze. Gebraucht hat man sie noch nicht.«
    Ich starrte nach oben. Jetzt entdeckte ich die von hier unten aus kaum sichtbaren Fangnetze und entspannte mich etwas.
    »Ich sag dir eins«, murmelte Gina. »Selbst in einem Meter Höhe und mit Fangnetz würdest du mich niemals auf so einen Träger kriegen!«
    »Na, jedenfalls wisst ihr jetzt, wie man die Dinger baut!« Liz lachte. »Die
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