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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod
Autoren: Jonathan Kellerman
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und das wäre der Grund, warum Becky in Mathe durchgefallen ist und nicht auf ein gutes College gehen kann. Wenn ich es Bob gesagt hätte, wäre Joanne vielleicht noch früher gestorben, und das hätte mir gerade noch gefehlt - meine gesamte Familie wäre zerstört gewesen.«
    »Sie haben es Richard gesagt«, sagte ich.
    »Richard ist ein Mann der Tat.«
    Was so viel hieß wie: Richard würde sie bestrafen. Sie ausschließen, für immer und ewig. Ich sagte: »Joanne war eine Frau der Tat. Nachdem das Urteil gesprochen war, hat sie die Bestrafung selbst in die Hand genommen.«
    Indem sie sich langsam tötete. Richards Verachtung war ein Teil davon gewesen - indem er sie exkommunizierte und sie wissen ließ, dass er nichts als Verachtung für sie übrig hatte. Und ihr drohte, es den Kindern zu erzählen.
    Aber zu ihrem Verfall und der Tatsache, dass sie sich voll gestopft hatte wie eine Gans, hatte noch mehr beigetragen. Sie wurde fett, weil Becky mager geworden war.
    Joanne hatte sich selbst verachtet.
    Stacy, das angebliche Problemkind, hatte man außen vor gelassen. Eric, der das Studium unterbrochen hatte, um sich um seine Mutter zu kümmern, war vermutlich mehr ins Vertrauen gezogen worden. Wie viel hatte Joanne ihm erzählt? Nicht die wahre Natur ihrer Sünde, sondern wahrscheinlich nur, dass sie etwas getan hatte, was Dad ihr nicht verzeihen konnte …
    Judy sagte: »Am Ende hat sie dann doch etwas richtig gemacht, Gott verdamme sie.«
    »Sie wollte, dass Sie zusehen - ihre letzte Chance, um Verzeihung zu bitten.«
    Sie zuckte mit den Schultern und strich mit einem Finger über ihre Lippen. »Gehen Sie jetzt, Alex. Ich meine es ernst.«
    Ich stand auf und ging zur Tür. »Trotz allem, was sie Ihrer Familie angetan hat, haben Sie sich um ihre Sorgen gemacht. Deshalb haben Sie Stacy zu mir geschickt.«
    »Klarer Fall von Fehlurteil.«
    »Wer weiß sonst noch Bescheid?«, fragte ich.
    »Niemand.«
    »Auch nicht Beckys Therapeutin?«
    »Nein, Becky und ich waren der Meinung, sie könnte die Therapie machen, ohne darüber zu sprechen. Und erzählen Sie mir nicht, dass ich Unrecht hatte, weil das nämlich nicht stimmt. Es geht ihr inzwischen gut. Sie hat vor, auf ein öffentliches College zu gehen und Psychologie zu studieren.
    Wir sind wieder da angelangt, wo wir vorher waren, Alex. Becky wird gestärkt daraus hervorgehen - ein besseres Einfühlungsvermögen entwickeln. Sie wird eine großartige Psychologin werden.« Ich wandte mich zur Tür.
    »Sie wissen auch nicht Bescheid, Alex. Dieses Gespräch hat nie stattgefunden.«
    Ich griff nach dem Türknauf.
    »Sie haben Recht«, sagte sie. »Ich will Sie nicht wiedersehen und nie wieder etwas von Ihnen hören.«

38
    Zwei Wochen vor Weihnachten rief ich die FBI-Zentrale im Federal Building an und bat - allerdings ohne mir eine Erfolgschance auszurechnen - darum, mit Special Agent Mary Donovan sprechen zu dürfen.
    Ich wurde sofort zu ihr durchgestellt.
    »Hallo, Doktor. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich habe mich nur gefragt, ob Sie mit Dr. Fusco Erfolg hatten.«
    »Erfolg«, sagte sie. »Der sich wonach bemisst?«
    »Ob Sie ihn finden und ihm helfen konnten.«
    »Das meinen Sie ernst.«
    »Was?«
    »Ihm helfen. Als wären wir so was wie eine Klinik.«
    »Nun«, sagte ich, »es gibt immer noch so etwas wie Kollegialität. Und Respekt für das, was er einmal war. Gibt es kein Lebenszeichen von ihm?«
    Sie schwieg.
    »Hören Sie, ich habe Ihren Anruf entgegengenommen, weil ich dachte, Sie hätten vielleicht Ihre Meinung geändert, aber das hier ist reine Zeitverschwendung«, sagte sie schließlich.
    »Meine Meinung in welcher Beziehung geändert?«
    »Was Ihre Bereitschaft zur Kooperation betrifft. Uns dabei zu helfen, ihn zu finden.«
    »Ihnen zu helfen?«, sagte ich. »Als wäre ich so was wie eine Klinik.«
    Erneutes Schweigen.
    »Ich glaube, Sie haben meine Frage beantwortet«, sagte ich.
    »Schönen Tag noch, Doktor.« Sie legte auf.
    Ich saß da mit dem Telefon in der Hand und dachte an Alice Zoghbies Behauptung, die Steuerbehörde hätte eine Prüfung der Unterlagen angesetzt, weil sie irgendwelche wichtigen Leute vor den Kopf gestoßen hatte. Wahrscheinlich hatte sie gelogen, um einen Anruf von Roy Haiseiden zu vertuschen.
    Aber man konnte nie wissen.

39
    Eine Woche vor Weihnachten rief Stacy an.
    »Es tut mir so Leid«, sagte sie. »Es war unhöflich von mir, nicht zurückzurufen, aber es war wirklich viel los, und …«
    »Nicht so schlimm. Wie geht’s Ihnen
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