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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod
Autoren: Jonathan Kellerman
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musste, freundlich zu bleiben.
    Bis zum dreiundzwanzigsten November hatte ich eine Menge vom Gericht angeforderter Gutachten abgeschlossen - doch es war keines von Judy Manitow darunter. Als ich an einem besonders herrlichen Morgen erwachte, legte ich den Rest in die Ablage mit der Aufschrift »Zu erledigen« und machte mich auf in die Wüste.
     
    Lancaster liegt fünfundsechzig Meilen nördlich von L. A., wenn man drei Freeways nimmt: 405, 5 und dann hinüber zur Nummer 14, wo sich vier Fahrspuren erst zu drei und schließlich zu zwei verdichten, die durch das Antelope Valley und schließlich in die Mojave führen.
    Es war knapp über eine Stunde Fahrzeit, wenn man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält, während der ersten Hälfte vorwiegend über dürre Gebirgsausläufer mit nur sehr wenigen Tankstellen, Fernfahrerkneipen, Reklametafeln und den roten Ziegeldächern billiger staatlicher Wohnsiedlungen. Der Rest des Weges bis nach Palmdale ist nichts als Erde und Schotter.
    Auch in Palmdale gab es Motels, doch das war Joanne Doss egal gewesen, es hatte Lancaster sein müssen.
    Sie hatte die Fahrt spät in der Nacht gemacht, als es draußen pechschwarz gewesen sein musste.
    Da war nichts gewesen, was man ansehen konnte. Eine Menge Zeit zum Nachdenken.
    Ich stellte sie mir vor, aufgedunsen, mit Schmerzen, eine Beifahrerin in ihrem eigenen Leichenwagen, während jemand anders - wahrscheinlich Eric, ich konnte nicht aufhören, an Eric zu denken - auf der leeren Straße Benzin verfuhr.
    Fahren.
    Hinaus ins Schwarze starren und wissen, dass die Weite des Nichts zu ihren letzten Bildern gehören würde.
    Hatte sie sich irgendwelche Zweifel erlaubt? Oder war sie entschlossen gewesen, ohne weiter darüber nachzudenken? Hatten sie miteinander geredet?
    Was sagst du zu deiner Mutter, wenn sie dich gebeten hat, ihr dabei zu helfen, dich zu verlassen?
    Warum hat sie ihre eigene Hinrichtung in Szene gesetzt?
    Ich entdeckte ein Hinweisschild auf einen regionalen Flugplatz in Palmdale. Die Piste, auf der Richards Hubschrauber bei all seinen Flügen gelandet war, wenn er die Entwicklung seiner Bauprojekte überprüfen wollte.
    Er hatte Joanne nie dazu veranlassen können, sich anzusehen, was er aus dem Boden gestampft hatte. Aber an ihrem letzten Tag auf Erden hatte sie eine Fahrt von einer Stunde in Kauf genommen und dafür gesorgt, dass sie an genau der Stelle endete, die sie bislang gemieden hatte.
    Sie hatte die Qual verlängert, damit sie ihm eine Botschaft schicken konnte.
    Du verurteilst mich. Ich spucke dir ins Gesicht.
     
    Das Happy Trails Motel war leicht zu finden. Ich war nur einmal kurz auf die Avenue J abgebogen und dann eine weitere halbe Meile bis hinter die Tenth Street West gefahren. Es gab viel Platz hier draußen, wenn auch nicht dank irgendeiner ökologischen Einsicht. Leere Baugrundstücke, die von Unkraut überwuchert waren, wechselten sich mit der Sorte Billigläden ab, die kleinstädtischen Unternehmern im Zeitalter der Fusionen und Übernahmen große Sorgen bereiteten.
    Bob’s Battery Repair, Desert Clearance Furniture, Cleanrite Janitorial Supply, Yvonne’s Quick ‘n’ Easy Haircutting.
    Ich kam an einer neu aussehenden Ladenfront vorbei, der üblichen Kombination aus beigefarbenem Strukturanstrich und falschen Ziegeln, deren Schaufenster teilweise immer noch leer waren. Ein Schild mit der Aufschrift ZU VERMIETEN war auffällig im vorderen Bereich des geräumigen Parkplatzes postiert worden. Eins von Richards Projekten? Vielleicht lag ich mit Joannes Motiven richtig, denn das Motel auf der anderen Straßenseite war deutlich zu sehen, eingezwängt zwischen einem Schnapsladen und einem mit Brettern vernagelten Bungalow, auf dem ein verblasstes, handgemaltes Schild angebracht war: GOODFAITH INSURANCE.
    Das Happy Trails Motel war eine eingeschossige, U-förmige Ansammlung von rund einem Dutzend Zimmern mit einer Rezeption auf der linken Spitze und einem ausgeschalteten flehenden Leuchtschild: ZIMMER FREI. Eine rote Tür führte in jedes Zimmer, doch nur vor zwei von ihnen standen Autos. Das Gebäude hatte graublaue Wände und ein flaches weißes Kiesdach. Über dem Kies sah ich Stacheldrahtrollen. Eine Gasse führte an der Westseite des Motels vorbei, und ich fuhr auf ihr nach hinten, um zu sehen, was es mit dem Stacheldraht auf sich hatte.
    Die Rollen befanden sich auf einem Staketenzaun, der das Motel von seinem hinteren Nachbarn, einem Trailer-Park mit alten, durchhängenden Wohnwagen, voll
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