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Glutnester

Glutnester

Titel: Glutnester
Autoren: Gabriele Diechler
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dass er weit weg eine neue Identität finden wird. Er steigt leichten Schrittes in seinen Wagen und fährt los.
    Ein letztes Mal steuert er den Hof seines Vaters an. Er sieht alles bereits vor sich. Er wird einen leichten Stoß auf den Körper seines Erzeugers ausüben. Darauf wird Roland Gasteiger das Gleichgewicht verlieren. Die Jauchegrube hinter ihm ist ein seltsames, aber passendes Grab für einen Bauern, der im Dreck zu wühlen gewöhnt ist.
    Luises Tod. Der von Veronika. Als Schlusspunkt der schauderhafte Tod seines Vaters. Er wird in der Güllegrube ersticken. Alle, die an seinem Schicksal beteiligt waren, sind am Zahltag angetreten. Sie wussten nur nicht, dass sie anzutreten hatten. Er, Gerd Speckbacher, hatte sie unmissverständlich daran erinnert. Es blieb nie etwas ungesühnt. In seiner Welt nicht.
    Jetzt also Brasilien. Er wird sich mit Sunblocker einschmieren müssen. Hat keine Lust, sich die Haut zu ruinieren. In Brasilien wird er, nach einer Zeit des Eingewöhnens, auf Slipjagd gehen. Er ist sich sicher, dass er dort ganz hübsche Funde verzeichnen wird. Speckbacher reibt sich die Nase. Eine Geste der olfaktorischen Vorfreude. Er fühlt plötzlich Sehnsucht nach dem süß-herben Geruch der Frauen in sich wachsen. Er wird rasch jemand Passendes finden, der ihm für ein bisschen Geld einen Slip in die Hand drücken wird. Das ist auch schon alles, was er wissen will. Der Rest ist auch in diesem Fall Schicksal.
     
    Elsa steht vor der Jauchegrube. Mit der einen Hand hält sie sich die Nase zu. Die andere steckt in ihrer Jackentasche. Ihr Blick ist wie hinter Schleiern verborgen. Einer, der am liebsten ausblenden würde, was er zu sehen bekommt. Sie fühlt eine unsägliche Schuld in sich wachsen. Schuld, die sie zu ersticken droht. Genau so, wie Roland Gasteiger in der Scheiße elendig erstickt ist. Elsa weiß, dass ihre Kollegen wegen des Methangases unter schwerem Atemschutz in die Grube steigen werden, um die Leiche Roland Gasteigers zu bergen.
    »Wir müssen Speckbacher suchen, bevor er über alle Berge ist. Vermutlich wird er irgendwo untertauchen«, kündigt Karl Degenwald an, als er neben sie tritt.
    »Wenn es dumm läuft, wird sein Verteidiger auf Schuldunfähigkeit plädieren, weil laut medizinischem Gutachten angeblich eine schizophrene Psychose vorliegt und Speckbacher sich zum Zeitpunkt der Tat in einem Zustand erheblicher Verwirrung befand.«
    »Danke für das nette Zukunftsszenario, Frau Kollegin.«
    »Speckbacher hat getan, was er getan hat, weil er an Schuld glaubt.« Elsa wirft ihrem Kollegen einen um Verständnis ringenden Blick zu. »Aber was ist Schuld? Können wir diese Welt verbessern, weil wir sühnen, was zuvor ein anderer an einem anderen gesühnt hat? Merken Sie nicht, wie verrückt das alles ist? Einer fängt an und alle folgen nach und machen mit. Niemand hört damit auf, etwas zu rächen, zu sühnen, jemandem etwas zuzufügen. So geht das immer weiter.«
    »Glauben Sie, diese Gedanken hab ich mir nicht alle schon gemacht?«, seufzt Degenwald. »In unzähligen Nächten. Immer und immer wieder.«
    »Ich hab eben einen Anruf aus dem Traunsteiner Krankenhaus bekommen. Es geht um eine von Annas Freundinnen. Vermutlich Vergewaltigung oder etwas ähnlich Schlimmes. Ich müsste längst dort sein.« Elsa schaut Degenwald Rat suchend an.
    »Was stehen Sie hier noch rum? Ich gebe eine Fahndung nach Gerd Speckbacher raus, und dann muss sich jemand um diesen Dreckskram hier kümmern. Hörnchen und Ben sind gefragt.«
    Elsa dreht sich um und geht raschen Schrittes davon. Die wenigen Worte, die sie mit Karl Degenwald gewechselt hat, geben ihr das Gefühl, dass sie, trotz allem, weitermachen kann.

23. Kapitel
    Der Besuch im Krankenhaus in Traunstein bestärkt Elsa darin, an Wichtigeres als ihre Schuldgefühle zu denken. Als sie sich neben das Bett des Mädchens setzt, fühlt sie, wie ihr das Herz schwer wird. Missbrauch! Jetzt hat sie doch noch mit diesem schwerwiegenden Vorwurf zu tun. Bereits nach den ersten Sätzen Nadines ist Elsa klar, um wen es sich bei dem Mann, der dem Mädchen derart zugesetzt hat, handeln könnte. Erneut taucht der Name Gerd Speckbacher auf. Aus Elsas Mund. Nadines Beschreibung passt perfekt auf ihn. Sie erzählt, immer wieder stockend, dass ihr das Benzin ausgegangen sei. Sie habe ihr Mofa am Straßenrand stehen lassen und per Autostopp nach Hause kommen wollen. Schon bald habe ein Kombi angehalten. Sie sei zu dem Mann mit den auffälligen roten Haaren in den Wagen
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