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Glutnester

Glutnester

Titel: Glutnester
Autoren: Gabriele Diechler
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Missbrauch, spukt es in Degenwalds Kopf herum.
    Als Letztes hatte er mit Roland Gasteiger gesprochen. Der hatte die ganze Zeit über gerätselt, wohin der Schlüssel von Luises Zimmer gekommen war. Im Stillen hatte er seinen Schwiegersohn Hubs verdächtigt. Er habe sich ausgemalt, wie der Hubs Luises Zimmer erneut abgeschlossen hatte, nachdem er aus dem Haus war. »Der Hubs wollt ständig an Hof verkaufen. D’ Luise und i hatten zwar nur no a Wohnrecht, aber mia wollten bleiben. D’ Luise vor allem. Der Hof is doch unser Leben, hat s’ immer g’sogt.«
    Degenwald schlägt die Decke zur Seite, bringt das Kissen in Position, löscht das Licht und schlüpft ins Bett. Während er so daliegt und sich an die Dunkelheit gewöhnt, kommt ihm eine eigensinnige Erklärung. Er spricht sie sich laut vor.
    »Die Mitte des Lebens ist der Moment, an dem du bereits das Ende zu erkennen glaubst und plötzlich feststellst, du hast mit den Augen geschaut, was du nur im tiefsten Inneren vergessen kannst. Es gibt kein Ende. Liebe endet nicht. Liebe ist unverbrüchlich.«
    Degenwald schweigt irritiert. Schüttelt den Kopf. »Rätselhaft!«, raunt er in die Nacht. »Absolut unverständlich.« Was sollen derart irrige Worte bedeuten? Er dreht sich nach rechts, um in den Schlaf zu sinken und alles andere auszuschalten. Doch in seinem Kopf surrt es derartig, dass er davon ausgeht, noch länger wach zu sein. Das, was er vorhin – für sich selbst – referiert hat, erschließt sich ihm in keiner Weise. Bis auf ein warmes Gefühl im Herzen. Dieses Gefühl macht ihm klar, dass an dem, was er gesprochen hat, etwas dran sein könnte. Im tiefsten Inneren vergessen. Wie erleichternd muss es sein, von schwerwiegender Vergangenheit und allen Ängsten frei zu sein. »Im Inneren vergessen«, murmelt Degenwald erneut. Wenn Gerd Speckbacher das nur gelungen wäre. Dann wäre er endlich frei gewesen. Vielleicht muss ich all das nur begreifen lernen, denkt Degenwald sich.

Epilog:
    Elsa hält die Tür eines kleinen Restaurants, in dem man hervorragend essen und trinken konnte, auf, um Anna hinauszulassen.
    »Wann darf ich Nadine besuchen, Mama?«, will Anna mit ungewohnter Zurückhaltung in der Stimme wissen. Den ganzen Abend geht ihr der Gedanke durch den Kopf, dass, wenn sie nicht mit Nadine gestritten hätte, vermutlich gar nichts weiter passiert wäre. Und dass sie ihrer Mutter verschwiegen hatte, wie sie unlängst nach Hause gekommen war, machte das Ganze auch nicht besser.
    »Wenn du magst, gehen wir morgen ins Krankenhaus. Vorher kaufen wir für Nadine aber eine riesengroße Bonboniere«, schlägt Elsa vor und deutet beim Sprechen den Umfang der Pralinenschachtel an. Sie hat Anna beim Essen berichtet, was Nadine ihr im Krankenhaus, unter Stocken und Weinen, anvertraut hatte. Zwischen Hauptgang und Nachspeise, Elsa und Anna hatten sich beide für die Bayerische Creme mit frischen Früchten der Saison entschieden, hatte Anna schließlich zu weinen begonnen und sich laut schniefend entschuldigt. Sie verspreche hoch und heilig, nie wieder Autostopp zu fahren. Und sich besser um ihre Freundin zu kümmern. »So was wie mit der Nadine soll nie, nie wieder passieren.« Elsa hatte Anna den Arm um die Schulter gelegt, und sie ganz fest an sich gezogen. Eine Weile waren sie schweigend so dagesessen. Dann hatte Elsa gezahlt und sie hatten das Lokal verlassen.
    Als Elsa ihren Golf aufsperrt, klingelt das Handy. Sie macht eine Geste, dass sie abheben muss.
    »’Tschuldige, dass ich um die Zeit störe. Aber was ich zu sagen habe, wird dich erfreuen«, hört Elsa Ben Fürnkreis’ Stimme am anderen Ende.
    »Na fein. Dann lass mal hören, Ben!«, geht Elsa auf seinen freundlichen Ton ein. Sie bleibt vor der Autotür stehen, während Anna im Wagen Platz nimmt und sich an ihrem iPod zu schaffen macht. »Ich hab mich in deiner Nachbarschaft in Unterwössen umgehört. Den Drohbrief, den du bekommen hast, haben tatsächlich
zwei Burschen, wenige Häuser entfernt, geschrieben. Sie finden es echt cool, dass ein hübscher weiblicher Bulle in der Nähe logiert. Originalton, Elsa. Nur, ein bisschen freundlich könntest du schon dreinschauen, schlagen sie vor. Die beiden haben sich einen blöden Jungenstreich erlaubt und werden sich demnächst bei dir entschuldigen. Vermutlich mit selbst gepflückten Butterblümchen vom Acker.« Ben lacht amüsiert auf. »Und was meine Wenigkeit anbelangt: Wie wär’s am nächsten Wochenende mit einer Flugstunde im Segelflieger? Ich
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