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Glück muß man haben

Glück muß man haben

Titel: Glück muß man haben
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Veranlassung, ebenfalls über ihre Tochter erstaunt zu sein.
    Mariannes Ironie wirkte aber offenbar ansteckend, denn Theodor Berger sagte zu seiner Frau: »Vielleicht ist er beim BND, Bina.«
    »BND? Was ist das?«
    »Der Bundesnachrichtendienst. Darüber dürfen die nicht sprechen.«
    »Verdienen die gut?«
    »Die Kleinen nicht, die Großen schon. Wie überall. Vielleicht ist er ein Großer, Bina.«
    Mutter Berger, nicht ganz sicher, was sie von der Sache halten sollte, sagte: »Nimmst du mich etwa auf den Arm, Theo?«
    »Nein, Bina.«
    »Doch, das tut er, Mutter«, sagte Marianne. »Merkst du denn das nicht?«
    Theodor Berger lachte, und das klang ziemlich roh. Takt gehört eben in der Regel nicht zu den Stärken eines Wirts.
    »Wilhelm Thürnagel«, fuhr Marianne fort, »muß gar nichts von sich geheimhalten. Es ist nur so, daß er über alles, was ihn selbst betrifft, kaum spricht.«
    »Er spricht überhaupt auffallend wenig«, sagte Vater Berger wieder einmal. »Muß man ihm denn jedes Wort aus der Nase ziehen?«
    Marianne nickte.
    »Ja, am liebsten läßt er andere reden und hört nur zu. Und das hat auch seinen Grund.«
    »Welchen?«
    »Er will lernen.«
    »Was denn?«
    »Unsere Sprache.«
    Theodor Berger riß die Augen auf.
    »Unsere Sprache? Kann er die denn nicht?«
    »Noch nicht richtig«, antwortete Marianne. »Aber er macht rasche Fortschritte.«
    »Ist er Ausländer?«
    »Nein.«
    »Hätte mich auch gewundert, wenn einer Thürnagel heißt … Wilhelm Thürnagel. Dann könnte er nämlich höchstens nur noch Österreicher sein.«
    Sabine fragte Marianne mit einer Miene, die bedenklich war:
    »Ist er Österreicher, Kind?«
    »Nein, Mutter, ich sage doch, daß er kein Ausländer ist.«
    »Dann verstehe ich nicht …«
    Des Rätsels Lösung bestand darin, daß Wilhelm Thürnagel Aussiedler war, Aussiedler aus Rußland, und erst vor zwei Monaten in Gelsenkirchen eingetroffen war. Als Marianne dies erzählte, stieß Theodor Berger ein bezeichnendes »Ach du liebe Zeit!« hervor.
    Mutter Berger sagte gar nichts.
    Nach einigen Sekunden, in denen Stille geherrscht hatte, setzte Theodor ohne Hemmungen hinzu: »Wieder einer von denen, die uns nur zur Last fallen.«
    »Wieso, Vater?« fragte Marianne. Erneut schien sie mit ihrem Erzeuger nicht einverstanden zu sein.
    »Weil die uns alle auf der Tasche liegen.«
    »Ach was!«
    »Selbstverständlich tun die das!« ereiferte sich Theodor. »Erkundige dich doch bei deinem Herrn Thürnagel, wer für seinen Lebensunterhalt hier aufkommt. Frag ihn mal, wo er wohnt. Wer seine Miete bezahlt? Was er ißt? Wer auch das bestreitet? Was er trinkt, wenn auch nicht viel? Was er anzieht? Seine Zigaretten? Und so weiter und so weiter!«
    Offenbar aus dem Konzept gebracht, erwiderte Marianne nur: »Er raucht nicht.«
    »So, er raucht nicht?« Theodors Stimme troff vor Hohn. »Aber essen, trinken, wohnen und sich kleiden, das tut er doch wohl? Ist das nicht immer noch mehr als genug? Wer bezahlt das? Frag ihn das mal, deinen Herrn Thürnagel.«
    Mariannes Antwort entbehrte abermals des Konkreten.
    »Er ist nicht mein Herr Thürnagel.«
    Streit drohte.
    »Zankt euch nicht«, ermahnte deshalb Mutter Sabine die beiden.
    Theodor setzte den Schlußpunkt.
    »Das zehrt alles von unseren Steuern«, erklärte er. »Die kommen her, sind nichts, haben nichts, können nichts – nicht einmal Deutsch –, sie benötigen eine Wohnung, Essen, Kleidung, Zahnersatz, Sprachkurse, Umschulungskurse, und wenn man nach drei Jahren hinguckt, was sie machen, sind sie immer noch nicht eingegliedert. ›Integriert‹ nennt sich das heute. Soll ich euch den wahren Grund verraten, warum sie das nicht sind?«
    Weder für Marianne noch für Sabine schien es nötig zu sein, das gesagt zu bekommen. Sie schwiegen.
    Theodor blickte beide an.
    »Anscheinend nicht«, stellte er befriedigt fest. Er hatte gesiegt.
    Die Zeitung kam dann wieder an die Reihe, doch nicht lange, und Theodor ließ sie endgültig sinken. Sich erhebend, verkündete er: »Ich gehe noch ein bißchen zum Pit.«
    Pit hieß mit dem Nachnamen Schmitz, gehörte also zum rheinischen Landadel, was er oft genug hervorhob, zum Gaudium seiner Freunde. Er war ein Kollege Theodors. Mit seinem Lokal ›Zum Brunnen‹ deckte er ebenfalls einige Straßen im Norden Gelsenkirchens ab. Theodor verstand sich gut mit ihm. Konkurrenzneid gab es zwischen den beiden nicht. Hatte Theodor Ruhetag, fand er sich bei Pit als Gast ein – und umgekehrt.
    »Bist du auch Vaters
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