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Glück muß man haben

Glück muß man haben

Titel: Glück muß man haben
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ansicht, Mutter?« fragte Marianne, als sich die Tür hinter Theodor geschlossen hatte.
    Sabine Berger zuckte die Schultern. Recht weit schienen also ihre Ansichten und die ihres Gatten nicht auseinanderzuliegen.
    »Ihr seid beide ungerecht«, sagte daraufhin Marianne.
    »Wieso? Stimmt es denn nicht, daß sich die ganz schön Zeit lassen, bis sie zu arbeiten anfangen?«
    »Nicht alle, Mutter.«
    »Aber die meisten.«
    »Nein, die meisten nicht, behaupte ich.«
    »So, behauptest du? Seit wann denn? Seit du diesen Thürnagel … Sag mal«, unterbrach sich Mutter Berger, »hat das etwas zu bedeuten?«
    »Was?«
    »Daß du dich für den so einsetzt?«
    »Ich setze mich für ihn nicht ein«, erwiderte Marianne unwillig. »Ich bin nur objektiv ihm gegenüber.«
    Sabine Berger war eine erfahrene Frau. Sie wußte, daß ziemliche Bedenken angebracht waren, wenn ein junges Mädchen erklärte, daß sie sich für einen jungen Mann nicht einsetze, sondern ihm gegenüber nur objektiv sei. Sabine wußte aber auch, daß es in solchen Situationen falsch war, offenen Widerspruch anzumelden.
    »Objektivität wirst du auch mir nicht absprechen können«, sagte sie daher nur.
    Marianne schwieg. Ihre Miene war jedoch von sichtbaren Zweifeln geprägt, so daß sich ihre Mutter nicht enthalten konnte, hinzuzusetzen: »Oder willst du vielleicht etwas anderes behaupten?«
    »Manchmal schon, Mutter.«
    Das wurde ja immer schöner. Sabine ließ ihr Strickzeug sinken.
    »Hör mal, das darfst du doch wirklich nicht sagen«, meinte sie eingeschnappt. »Wann findest du denn mal bei mir kein volles Verständnis?«
    »Jetzt zum Beispiel«, entgegnete Marianne.
    »Aber jetzt geht es doch gar nicht um dich, sondern um diese Aussiedler.«
    »Richtig«, nickte Marianne. »Und ich finde es nicht gut, wie ihr die seht.«
    »Daß du sie anders siehst – besser –, davon bist du überzeugt?«
    »Ja.«
    »Und woher willst du das wissen?«
    »Weil ich mich mit dem ganzen Komplex befaßt habe. Ihr tut das nicht. Ihr seid denen gegenüber von Haus aus voreingenommen. Alle hier sind das. Sie stoßen sich daran, daß die nicht richtig Deutsch können. Gerade darin sollten aber die hier vorsichtig sein. Wenn ihre Vorfahren vor zwei- oder dreihundert Jahren ausgewandert wären an die Wolga, würden sie, die Nachfahren, heute kein einziges deutsches Wort mehr können. Den Beweis dafür liefern gerade die Leute im Ruhrgebiet ständig zehntausendfach. Du weißt, was ich meine.«
    Natürlich wußte Sabine Berger das, als geborene Gelsenkirchenerin; trotzdem sagte sie: »Übertreib nicht.«
    Marianne war nicht zu bremsen. Sie hatte sich jetzt so richtig heiß geredet.
    »Ich übertreibe nicht«, erwiderte sie. »Oder frag doch mal alle die Kasperskis, Abramczyks, Tibulskis, Kuzorras, warum sie nicht Polnisch können.«
    »Das kann man doch nicht miteinander vergleichen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil … weil man es nicht kann.« Mehr fiel Sabine nicht ein.
    Für Marianne war das eine Gelegenheit, ihre allgemeine Belesenheit zur Schau zu stellen. Sie verkonsumierte ja nicht nur Liebesromane.
    »Mutter«, sagte sie ironisch, »du erinnerst mich an Christian Morgenstern. In einem seiner Gedichte heißt es: ›… weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.‹«
    »Komm mir nicht so«, setzte sich Sabine zur Wehr. »Ich würde auch gerne mehr lesen, aber ich stehe den ganzen Tag in der Küche und habe dazu keine Zeit.«
    Marianne bereute es, in ihrer Mutter einen Minderwertigkeitskomplex wachgerufen zu haben, und wollte das ausbügeln. Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, läutete das Telefon, das auf einem Tischchen draußen in der Diele stand. Mutter Sabine verließ das Wohnzimmer, um den Anruf entgegenzunehmen. Sie kehrte aber schon nach wenigen Augenblicken wieder zurück, mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.
    »Für dich«, sagte sie zu Marianne. Ihre Stimme klang etwas spröde.
    Mariane war überrascht. Sie wurde abends fast nie angerufen.
    »Wer denn?« fragte sie, sich erhebend.
    »Herr Thürnagel.«
    Mariannes Überraschung wuchs noch, als sie das hörte. Sie sagte aber nichts, ging hinaus und schloß hinter sich die Tür, die Sabine offengelassen hatte. Sabine spitzte die Ohren, hatte jedoch damit keinerlei Erfolg. Marianne sprach zu leise, obwohl kein Anlaß bestand, etwas zu verbergen.
    Die Sache war nämlich ganz harmlos. Wilhelm Thürnagel war dem plötzlichen Einfall erlegen, Marianne anzurufen und sie zu fragen, ob sie Lust
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