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Glück muß man haben

Glück muß man haben

Titel: Glück muß man haben
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Fast eine Million«, sagte Theodor Berger erschüttert und legte aufseufzend die Zeitung auf den runden Tisch. »Das muß man sich einmal vorstellen.«
    Die Zigarre war ihm ausgegangen, der Doppelkorn, der in einer Flasche vor ihm auf dem Tisch stand, schmeckte ihm nicht mehr. Mit fragenden Augen schaute er sich im Zimmer um.
    Der Tag ging zur Neige. Eine fahle Dämmerung kündigte den Abend an. Zwielicht herrschte in dem mittelgroßen Wohnzimmer der Familie Berger und veranlaßte den Hausherrn, sich zu erheben und die Stehlampe anzuknipsen. Dann zog er die Vorhänge an den beiden Fenstern zu und setzte sich wieder. Die Zeitung nahm er aber vorläufig nicht mehr in die Hand.
    An dem einen Fenster saß strickend Frau Sabine Berger, eher klein als groß, wohlgenährt, mit einem überdimensionalen graumelierten Haarknoten im Nacken, und blickte auf das unermüdliche Spiel ihrer eigenen Finger. Marianne Berger, die hübsche, dunkeläugige, quirlige zwanzigjährige Tochter lehnte in einer Ecke des Sofas, das dem zweiten Fenster gegenüberstand, und las in einem Roman über die schwierige Liebe zwischen einem leibhaftigen jungen Baron und einem Mädchen aus dem Volk. Liebesromane aller Art las Marianne sehr gerne. Sie erweiterte damit ihre theoretischen Kenntnisse auf einem Gebiet, das ihr in der Praxis noch fremd war. Mit anderen Worten: Marianne war ein noch unberührtes Mädchen – und das mit 20 Jahren! Man konnte also ruhigen Gewissens sagen, daß es eine zweite Marianne weit und breit nicht mehr gab.
    An Temperament, das die Gefahr der Beseitigung der Jungfernschaft Mariannes schon oft genug akut hatte werden lassen, fehlte es dem Mädchen gewiß nicht. Es mangelte ihr aber auch nicht an Entschlossenheit, sich, wie sie es sah, ›dem Richtigen aufzuheben‹. Und noch etwas kam bei ihr hinzu: Sie liebte ihre Eltern sehr, war ihnen gehorsam, und Eltern haben es nun mal an sich, besonders eine Tochter den Praktiken der Liebe möglichst lange fernzuhalten. Vater Berger legte diesbezüglich ein außerordentlich wachsames Auge an den Tag, und Tochter Marianne war, wie gesagt, ein Mädchen, das sich dagegen nicht auflehnte, sondern sich fügte – bis zu einem gewissen Tag jedenfalls, der noch in der Zukunft lag.
    Theodor Berger war Gastwirt und Besitzer des Restaurants ›Sonnenblume‹. Wenn sein Lokal auch im Norden Gelsenkirchens lag und sich im Laufe eines Jahres selten ein Sonnenstrahl zu den Blumen an den Fenstern verirrte, so bewies doch der Name allein schon den sieghaften Optimismus Bergers und seine Anschauung vom Lauf der Welt und der Dinge.
    Gastwirte haben das Recht, dick zu sein. Ein dünner Gastwirt steht sich sozusagen selbst im Weg, er schreckt die Kundschaft ab. Wo aber ein fülliger Leib sich dir entgegenschiebt, da laß dich erwartungsvoll nieder, denn die beste Reklame für ein Lokal ist der Bauch des Besitzers.
    So gesehen war Theodor Berger der geborene Gastronom. Wenn er hinter der Theke vor seinen blitzenden Zapfhähnen stand und die Krüge und Gläser hin und her schob oder an Samstagabenden als Vorsitzender des Stammtisches ›Zum strammen Theodor‹ einen olympiareifen Skat oder Doppelkopf hinlegte, fühlte er sich in seinem Element.
    Als Theodor Berger noch jung und drahtig gewesen war, hatte er als Aktiver des Fußballvereins FC Trimmstadt 09 Furore gemacht. Dieser Club war einer der ungezählten kleinen Vereine, aus denen sich die großen nähren, deren Siege die Begeisterung der Massen überschäumen lassen, deren Niederlagen die Fans in Weltuntergangsstimmung versetzen. Der junge Theodor Berger hatte das Tor seines Vorstadtvereins gehütet, mehr schlecht als recht. Wenn man allerdings seinen Erzählungen in all den Jahren seither glauben wollte, war er nur durch den viel zu frühen Tod seines Vaters daran gehindert worden, eine große Karriere als Torwart anzutreten; dadurch habe er nämlich zu Hause die Gastwirtschaft übernehmen müssen, anstatt zum Rückhalt des berühmten FC Schalke 04 zu werden.
    Warum sich der Beruf eines Gastwirts nicht mit dem Beruf eines Fußballspielers auf Hochleistungsebene verträgt, bedarf keiner näheren Erläuterung.
    Wer oder was der FC Schalke 04 ist, muß keinem deutschen Jungen oder Mann gesagt werden. Dieser Verein gehört trotz aller Einbrüche, die auch er schon erlebt hat, trotz saftiger Skandale, die sich auch mit seinem Namen schon verknüpften, zu den ruhmreichsten überhaupt. Der FC Schalke 04 ist, so kann man sagen, Gelsenkirchen, und
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