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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana
Autoren: Michael Moorcock
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bohrt Krallen durch fadenscheiniges Baumwollgewebe. Tallow streift das Tier mit seinem unsteten Blick und zuckt mit der Schulter. »Viele haben es auf vielerlei Weise versucht. Sie ist ein vielerforschtes Labyrinth ohne Mittelpunkt.« Er schiebt sich um eine Ecke, erreicht einen gemauerten Luftschacht, durch den er in einen Versorgungstunnel mit tropfenden Rohrleitungen gelangt. Mit flackernder Kerze eilt er durch einen staubigen Verbindungsgang aus knarrenden Planken und Bohlen und in eine niedrige Passage wie der Eingang zu einem Hundezwinger. Er schnuppert, seine geblähten Nasenflügel nehmen eine Duftspur von Gebratenem auf. Er befeuchtet sich die Lippen. Die Katze beginnt zu schnurren.
    »Wir sind nicht weit von der Küche, Tom.« Er lauscht mit angestrengt gerunzelter Stirn, dann läßt er die Katze von der Schulter springen und durch die kleine Tür, kriecht ihr nach, bis beide von einem geschnitzten Holzgitter aufgehalten werden, hinter dem Feuerschein wabert. Tallow späht hindurch. Vor ihm liegt einer der großen Gesellschaftsräume des Palastes. Das Kaminfeuer gegenüber ist heruntergebrannt, und eine lange Tafel ist bestreut mit den Resten eines Festmahls – und einigen der Gäste, die über ihre Gedecke hingesunken oder zu Boden geglitten sind. Es gibt Rind- und Hammelbraten und Geflügel, Wein und Brot. Tallow rüttelt vorsichtig an dem hölzernen Gitter. Es klappert. Er sucht nach Schließhaken und findet an ihrer Statt Nägel. Er zieht sein kleines Messer hervor, das er an einer Schnur um den Hals trägt, schiebt die Klinge unter einen Nagel und drückt und zieht, bis er sie zu brechen droht und der Nagel allmählich gelockert wird. So arbeitet er unverdrossen weiter, bis er das Holzgitter samt seinem Rahmen mit einem kräftigen Ruck herausreißen kann. Er stellt es vorsichtig hinter sich, dann blickt er hinunter. Es ist ein gutes Stück hinab zu den Steinplatten; die Rückkehr verspricht schwierig zu werden, es sei denn, er bedient sich eines unter die Öffnung geschobenen Möbelstücks, womit er seinen Zugangsweg verraten würde. Die hungrige Katze verschmäht die Vorsicht ihres Herrn und springt mit einem Geräusch in der Brust, das halb Schnurren und halb Grollen ist, in weitem Satz hinunter zur Tafel. Damit ist auch für Tallow die Entscheidung gefallen. Er schwingt sich durch die Öffnung, hängt einen Augenblick an den Fingerspitzen und läßt dann los. Im Fallen streift er eine kleine Bank, die er von oben nicht gesehen hat, und schürft sich das Schienbein. Er flucht und hüpft auf einem Bein, birgt das Messer wieder im Hemd, wendet sich um und hinkt eilig zur Tafel, wo die Katze bereits an den Resten eines gebratenen Truthahns zerrt. In den Gängen und Schächten ist es kalt gewesen, und nun, da das Feuer ihn wärmt, wird Tallow das Ausmaß seines Unbehagens erst richtig klar. Er nimmt ein großes Lendenstück von einer Platte, trägt es zum Feuer, setzt sich in die Kaminecke und beginnt zu kauen, ohne die schnarchenden Tischgäste aus den Augen zu lassen Unterhaltungskünstler, nach ihrer Kleidung, die sich zu gut unterhalten haben. Plötzlich fällt Licht auf diese Gestalten, und Jephraim blickt beunruhigt umher, bis er sieht, daß hoch oben in die Wand Fenster eingelassen sind; er ist aus seinem Bereich Fenster nicht gewohnt. Der Mond scheint herein. Weiße Hanswurste und scheckige Harlekine liegen vornübergesunken auf dem Tafeltuch wie tote Gänse im Schnee; die Weinflecken auf den Kostümen wandeln sich von Schwarz zu Rot, als die Helligkeit des Mondlichtes zunimmt. Die gepuderten, maskierten Gesichter liegen auf den Armen, die rotbemalten Münder stehen offen. Tallow bildet sich ein, sie seien alle ermordet worden, und hält nach Waffen Ausschau, sieht aber nur Narrenstecken, Schweinsblasen und eine hölzerne Gurke, worauf er seine Aufmerksamkeit beruhigt dem gebratenen Lendenstück zuwendet. Er merkt, wie sein Bauch anzuschwellen beginnt, und seufzt, wendet das vom Essen gerötete, fettbeschmierte Gesicht dem erlöschenden Feuer zu und leckt sich die schmackhafte Bratensoße von den breiten Lippen (die von Natur aus ständig zu lächeln scheinen und ihn damit vor ebensoviel Unheil bewahrten, wie sie ihm eingebrockt haben). Die Katze blickt zuerst auf, einen ganzen gebratenen Flügel im Maul, dann hört auch Jephraim die Schritte. Er stürzt zu den Weinflaschen, greift eine heraus, die zu leicht ist, bekommt eine andere zu fassen, diese beinahe voll, blickt schnell zu der Öffnung
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