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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana
Autoren: Michael Moorcock
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hoch liegt. Mehr durch Instinkt als durch vernünftiges Urteil findet er eine vertraute Straße, die ihn schließlich zu einem großen, baufälligen Gebäude führt. Über dem Tor dieses Hauses ist ein Buschen an einer Stange zu sehen und darunter die von den Jahren mitgenommene Inschrift Zum Walroß . Licht und Stimmenlärm hinter den geschlossenen Fensterläden verraten Magister Wheldrake, daß er hier, in seiner bevorzugten Schenke, einer allgemein verrufenen Höhle, das Willkommen finden wird, daß er am meisten begehrt, und so klopft er, wird eingelassen, durchquert den Hof mit seinen Arkadenreihen in der Dunkelheit der oberen Geschosse, betritt die Gaststube und versinkt im Gestank und Lärm rauhen Gelächters, vulgärer Scherze und schlechten Weins, denn unter Raufbolden wie diesen, unter Huren, unter den verbitterten, zynischen, bösartigen und verzweifelten Männern und Frauen, die dieses Rattennest am Flußufer bevölkern, kann der verwundete Poet am ehesten Erleichterung finden von allem, was ihn bedrückt. Er wirft den pelzbesetzten Umhang des Wachsoldaten ab, ruft nach Wein und bekommt ihn, nachdem er bezahlt hat. Die wohlvertrauten Huren umringen ihn, kitzeln ihn, bedrohen ihn mit all den Wonnen, nach denen er lechzt; er lächelt, er trinkt, ist beseligt; er begrüßt, die er kennt und die er nicht kennt, mit gleich guter Laune, ermuntert sie zu ihrem Spott und ihrer Verachtung, kichert über jede Beleidigung, quietscht vor Vergnügen über jeden Rippenstoß, jedes Zwicken, beobachtet von dem ruhigen, grausamen Blick eines Mannes, der oben auf der Galerie sitzt und eine Flasche mit dem bärtigen, beringten Sarazenen teilt. Dieser trägt einen Burnus und scheint ein wenig beunruhigt von der Behandlung, die Wheldrake zuteil wird.
    Endlich neigt er sich zu seinem Begleiter und sagt: »Ich fürchte, sie meinen es nicht gut mit diesem Herrn.«
    Der andere, dessen Züge von dicken schwarzen Locken und der breiten Krempe eines fremdländischen Hutes, an dem die zerfaserten Federn einer Krähe stecken, größtenteils verdeckt sind und dessen Gestalt in einen schwarzen, befleckten Umhang gehüllt ist, schüttelt den Kopf. »Sie spielen nur Theater für ihn, glaubt mir, Sir. Damit verdienen sie sich sein Gold. Er ist Wheldrake, vom Palast. Ein Protege der Königin, Sohn einer adligen Familie aus Sunderland. Lady Lysts Liebhaber. Er verbringt einen guten Teil seiner Zeit in Tavernen wie dieser; hat er immer getan, seit seiner Studienzeit in Cambridge.« »So lange kennt Ihr ihn schon?« »Ja freilich, aber er hat nie von mir gehört.«
    »Oh, Kapitän Quire!« Der Sarazene lacht. Er ist angetrunken, weil mit dem Wein nicht vertraut. Er ist ein stattlicher junger Handelsmann, ein kleiner Feudalherr in Arabien, jenem aufstrebendsten aller Länder unter dem Protektorat des Königreichs. Ohne Zweifel fühlt er sich geschmeichelt, daß Kapitän Arturus Quire sich seiner angenommen hat; Quire kennt London gründlich und weiß, wo man sich in dieser Stadt am besten vergnügen kann. Der Sarazene argwöhnt, daß Kapitän Quire es auf seine Geldbörse abgesehen haben möchte, aber er trägt nur eine bescheidene Geldsumme bei sich, die dem Kapitän für die Unterhaltung, die er bisher beigesteuert hat, gern zur Verfügung steht. Dennoch kann er nicht an sich halten und fragt stirnrunzelnd: »Könntet Ihr es darauf abgesehen haben, mich zu berauben, Quire?« »Wessen, Euer Ehren?« »Meines Goldes, natürlich.«
    »Ich bin kein Dieb.« Die Stimme des Kapitäns ist kalt, eher gelangweilt als beleidigt.
    Der Sarazene greift zum Weinglas und beobachtet neugierig, wie zwei von den Huren Magister Wheldrake die Treppe hinauf und über die Galerie in einen Korridor führen. »Arabien wird mit jedem Tag mächtiger«, sagt er bedeutsam. »Ihr wäret gut beraten, seine Kaufleute zu umwerben; vorteilhafte Handelsverbindungen zu knüpfen. Unsere Flotten beherrschen Asien und stehen in ihrer Macht nur derjenigen Albions nach.« Quire wirft ihm einen Blick zu, forscht im Gesicht des Sarazenen nach Ironie. Der erhebt eine von Ringen glitzernde Hand und lächelt. In seinem Munde blitzt mehr Gold. »Ich spreche von beiderseitigem Gewinn und nichts anderem. Es ist wohl bekannt, wie sehr unser junger Kalif Königin Gloriana liebt. Ihr Vater besiegte uns, aber sie versöhnte uns. Sie gab uns den Stolz zurück. Wir bleiben ihr dankbar. Es ist in unserem politischen Interesse, ihren Schutz zu behalten.«
    Aus der unteren Gaststube dringt ein
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