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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot
Autoren: Iain McDowall
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ständig, dass der Chef plötzlich wieder ein Privatleben hat. Und was ist mit DS Kerr?«
    »Ja, vielleicht sollten wir ihn verständigen. Aber lass uns erst die Befragung abwarten, okay? Wir müssen nichts nach oben durchreichen, womit wir auch selbst fertig werden können.«
    »Da hast du recht«, stimmte ihr Williams zu.
    Emma goss sich einen Becher eisgekühltes Wasser aus dem Wasserkühler ein und hoffte, alles richtig in die Wege geleitet zu haben. Sie hatten zwei uniformierte Kollegen zum Crow Hill geschickt, damit sie den abgesperrten Bereich bewachten, bis die diensthabenden Kollegen von der Spurensicherung eintrafen. Im Moment war der Polizeiarzt, oder korrekter: der gerichtsmedizinische Kollege, bei dem Mädchen. Alles lief genau wie nach Lehrbuch, warum also Kerr und seine bessere Hälfte aus den Laken holen, wenn es keinen unmittelbaren Grund dafür gab? Keinen wirklichen Grund, nahm sie an. Wenn allerdings nur die Hälfte von dem stimmte, was das Mädchen der Krankenwagenbesatzung und den Uniformierten vorgestottert hatte, dann hatten sie es mit ein paar besonders üblen Mistkerlen zu tun – mit Mistkerlen von der Sorte, der man vor Gericht keinerlei Blöße bieten wollte, weil irgendwas von Seiten des CID schlampig gemacht oder gar vergessen worden war, so unbedeutend es sein mochte.
    Die Stelle für Vergewaltigungsopfer war noch keine drei Jahre alt und lag im zweiten Stock des Präsidiums, am Ende des hinteren Flurs. Hier gab es die entsprechende medizinische Ausstattung und einen Gesprächsraum, der eher wie ein Wohnzimmer wirkte, in dem das Opfer zwischen den Untersuchungen mit Freunden und Verwandten sitzen konnte, und wo sich die Gespräche mit Arzt, Berater oder Polizei, also denen führen ließen, die sich des Falles angenommen hatten. Angesichts der Umstände hatte Emma das für den geeignetsten Ort gehalten, und Williams hatte ihr zugestimmt. Nichts sprach dagegen, und er bemühte sich dieser Tage, der lieben Emma gegenüber besonders aufgeschlossen zu sein. Es bestand überhaupt kein Anlass, irgendwelche Feindseligkeiten neu aufleben zu lassen, und im Übrigen war sie es, dachte er, die den Vertiefungskurs »Ermittlung in Vergewaltigungsfällen« mitgemacht hatte. Nicht, dass es hier um eine Vergewaltigung ging. Nicht genau. Nicht im wörtlichen Sinn. Aber wie immer man es nennen wollte, es ging um eine junge Frau in traumatisiertem Zustand, die eindeutig die Art Betreuung brauchte, bei der die Wunden nicht nur medizinisch versorgt, sondern auch als mögliche Beweise betrachtet wurden.
    Sie erwarteten Carole Briggs, aber tatsächlich war es der FME selbst, der Gerichtsmediziner, der den Kopf durch die Tür streckte. Colin Naylor. Eher jung, unverheiratet, noch neu auf dem Posten. Ganz bei der Sache.
    »Die Schwester hilft ihr gerade, sich zu säubern. Carole ist auch noch bei ihr«, sagte er. »Sie würde gerne bei Ihrem Gespräch dabei sein und dem Opfer die Hand halten, wenn nötig.«
    »Gute Idee«, sagte Emma.
    Alles, Durchsuchungsbefehle, Haftbefehle, die Anklageformulierung, alles hing von der Genauigkeit der Aussage ab, und das betraf jede einzelne Behauptung, die das Mädchen abgab. Wenn da irgendetwas vergessen oder verschwiegen wurde, hingen sie völlig in der Luft und konnten nichts machen.
    Williams nickte ebenfalls pflichtbewusst.
    »Was können Sie uns zu dem Fall sagen, Doc?«, fragte er.
    Naylor trat jetzt ganz ins Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
    »Sie ist in verhältnismäßig guter Verfassung. Körperlich auf jeden Fall. Die Abschürfungen und Verletzungen sind nicht gravierend, viele davon scheint sie sich selbst zugefügt zu haben, als sie durch den Wald gerannt ist. Die einzige Ausnahme, die ich anführen möchte, sind die Blutergüsse an ihren Handgelenken, die sind ziemlich böse. Es war ein großes Risiko, sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen in einen engen Raum einzuschließen. Selbst bei einer gesunden jungen Frau besteht da die Gefahr einer Embolie.«
    Emma trank ihr Wasser aus. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, wie es ihr anstelle des Mädchens gegangen wäre. Durchmachen zu müssen, was Tracey Heald nach eigener Aussage durchgemacht hatte. Nicht eine Sekunde wollte sie sich das vorstellen.
    »Und sie hat auch der Intimuntersuchung zugestimmt?«, fragte Emma.
    »Ja, das hat sie . Alles, um die Typen zu erwischen, sagte sie.«
    Naylor warf einen Blick auf sein Klemmbrett und zog sich am linken Ohrläppchen. Das war ein nervöser Tick, dessen er
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