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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot
Autoren: Iain McDowall
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sich nicht bewusst war.
    »Was, soweit ich das sehen kann, zu ihrer Geschichte passt. Es war kein konventioneller sexueller Übergriff, weder vaginal noch anal. Ich habe sie dennoch untersucht wie ein Vergewaltigungsopfer und sämtliche Proben fürs Labor genommen, falls sie am Ende doch noch gebraucht werden sollten.«
    Die Behauptungen des Opfers waren so bizarr, dass die Annahme durchaus nahelag, sie sei konventionell angegriffen worden, versuche das Geschehene aber auf irgendeine Weise zu verdrängen. Naylor hatte sie auch auf Drogen untersucht, weil er Klarheit über den Zustand wollte, in dem sie gewesen war.
    »Und Sie haben nichts dagegen, wenn sie jetzt mit uns sprechen will?«, fragte Williams.
    »Solange Sie es langsam angehen lassen und ihr so viele Pausen gewähren, wie sie will. Folgen Sie ihrem Rhythmus.«
    Tracey Heald hockte in sich zusammengesunken auf dem gelben Sofa des Gesprächsraums und kümmerte sich nicht um den Becher Tee, der vor ihr auf dem niedrigen Kieferntisch stand. Sie trug einen weiten, hellblauen Trainingsanzug, den ihr Carole Briggs herausgesucht hatte. Im Schrank ihres Büros gab es ein ganzes Sortiment davon. Gewöhnlich tauschten die Opfer sie gegen die eigenen Kleider ein, die ins Labor geschickt und spurentechnisch untersucht werden mussten. Carole Briggs saß neben ihr, und wann immer Tracey nach einer Zigarette fragte, was alle paar Sekunden der Fall zu sein schien, holte sie eine aus der Tasche hervor. Der Raum war mit einer diskreten Videoaufzeichnung ausgestattet. Jeder auf dem Sofa saß mit im Kamerabereich. Williams sah nach, ob ein frisches Band eingelegt war, und drückte den Aufnahmeknopf.
    »Wann immer Sie so weit sind«, sagte Emma, »erzählen Sie uns doch bitte noch einmal alles vom ›Club Zoo‹ an. Sie waren mit Ihrem Freund da, aber dann kam es zu einem Streit, richtig?«
     
    Tracey probierte endlich den Tee. Es war nicht genug Zucker drin, aber wenigstens war er heiß. Sie nippte ein paarmal daran, zog an ihrer Zigarette, einer leichten Marke mit wenig Teer, die nach nichts schmeckte, und sah die beiden Detectives an, einen Mann und eine Frau. Die Frau sah nicht viel älter aus als sie selbst, sie war auf jeden Fall noch unter dreißig. Neben Tracey saß das Muttertier Carole, von der nicht klar war, wozu sie eigentlich da war. Sie war eine Art Profihenne, die ständig herumtat und grinste und ewig im Weg zu sein schien. Während sie hier herumsaßen und quatschten, dachte Tracey, konnte sich Brady mit seiner schmierigen Mannschaft nach überall davonmachen. Das hatte sie ihnen bereits gesagt. Jetzt versuchte sie es noch einmal.
    »Wie oft müssen Sie es noch hören? Haben Sie schon jemanden hingeschickt?«
    »Sobald wir Ihre Aussage haben, Tracey«, antwortete die Polizistin, »können wir das Entsprechende unternehmen.«
    »Die haben mich in eine verfluchte Kiste gesperrt und gesagt, sie wollen mich umbringen. Was sonst müssen Sie noch wissen?«
    »Wir wollen die Leute fassen, die Ihnen das angetan haben, Tracey, glauben Sie mir. Wir wollen sie festnageln. Aber das heißt, eins nach dem anderen, fürchte ich. Wenn Sie uns also noch einmal erzählen könnten, was passiert ist, angefangen mit dem ›Club Zoo‹, wo Sie mit . . . Casper hieß er, richtig? Wo Sie mit Ihrem Freund Casper waren.«
    Sie wusste nicht, wie lange sie in dem Sarg gelegen hatte. Tatsache war, dass sie da drin durchgedreht war, und zwar völlig. Ihre Gedanken waren nach überall und nirgends geschossen. An Orte, wo sie schon mal gewesen war, und andere, von denen sie noch nicht mal gehört hatte. Sie kam auf Dinge, die vor Jahren oder auch nie passiert waren. Alles nur, um auszublenden, wo sie war, und den Schmerz auszusperren, der jeden Millimeter ihres Körpers erfüllte. Mit dem Klebeband über dem Mund konnte sie nicht mal schreien. Eine Weile lang hatte sie mit dem Kopf von unten an den Deckel geschlagen, aber das war natürlich hoffnungslos. Bis der Schmerzim Nacken und den Schultern zu groß wurde. Wenn ihre Gedanken nicht gerade wild unterwegs waren, in komisch schwebenden Momenten, in denen sie über Angst und Schrecken erhaben schien, konnte sie hören, wie sich die Schweine draußen um sie herumbewegten und alle auf einmal sprachen, als wäre es irgendein verfluchter Gesang oder so was. Und im Hintergrund spielte verrückte Musik. Nicht modern verrückt, sondern altmodisch. Wie etwas, das sie noch nie gehört hatte und hoffentlich auch nie wieder hören würde.
    Und dann
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