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Glaub nicht es sei vorbei

Glaub nicht es sei vorbei

Titel: Glaub nicht es sei vorbei
Autoren: Carlene Thompson
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hier erschreckend wenig Respekt vor mir. Manchmal bin ich so tief verletzt, dass ich mich in der Toilette einsperre, um mich auszuweinen.«
    »Du Ärmster!«, kicherte Rebekka. »Dein Humor hat sich nicht verändert.«
    »Natürlich nicht.« Clay wurde ernst. »Jetzt brauchen wir noch eine Computertomographie, und dann rufen wir Molly an.«
    Rebekka diktierte der Schwester Mollys Telefonnummer. »Und bitte versuche, etwas über meinen Hund herauszufinden. Ich weiß ja, dass es albern für dich klingen muss, aber ... «
    »Es klingt überhaupt nicht albern«, sagte Clay forsch. »Ich habe selbst eine Hündin. Sie heißt Gypsy, und ich liebe sie heiß und innig. Jetzt entspann dich.«
    Rebekka konnte es kaum erwarten, endlich aus dem Krankenhaus zu kommen. Der Unfall hatte sie sehr mitgenommen, sie machte sich Sorgen um Sean und fragte sich, wer der kleine Junge sein mochte, in dessen Bewusstsein sie gewesen war. Sie hatte im Geiste miterlebt, wie man ihn aus dem Bett gezerrt hatte und an irgendeinem abscheulichen Ort gefangen hielt. In den vergangenen acht Jahren hatte sie gelernt, ihre Visionen zu unterdrücken, hatte ihren Geist so weit trainiert, bis sie fast verschwunden waren. Aber diese Vision hatte sich nicht verdrängen lassen. Sie war viel zu mächtig, viel zu eindringlich gewesen. Selten in ihrem Leben hatte sie eine Vision von solcher Klarheit erlebt. Und doch wagte sie es nicht, mit Clay oder einer der Krankenschwestern darüber zu sprechen. Sie hatte gerade einen Unfall hinter sich; ihre Geschichte konnte missverstanden werden. Man könnte auf die Idee verfallen, dass sie eine Kopfverletzung davongetragen hatte, die auf dem Bildschirm nicht zu erkennen war, und sie womöglich die Nacht über hier behalten. Dabei wollte sie möglichst schnell entlassen werden, um dem Geheimnis ihrer Vision auf die Spur zu kommen. Wurde in der Stadt ein kleiner Junge vermisst? Konnte sie helfen? Vielleicht hatte sie ja bald eine zweite Vision, die ihr aufschlussreiche Hinweise gab?
    Nach schier endlos langer Zeit tauchte die Schwester wieder auf und sagte: »Dr. Bellamy, kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«
    Clay, der sich stirnrunzelnd auf seine Stiche konzentriert hatte, blickte auf und lächelte. »Das ist der netteste Ton, den ich je von Ihnen zu hören bekommen habe. Was habe ich richtig gemacht?«
    »Gar nichts.« Clay zog die Augenbrauen in die Höhe. »Na ja, mit Sicherheit einiges, aber jetzt muss ich Sie dringend sprechen, und zwar gleich.«
    Clays Lächeln schwand ein wenig, kam aber, als er sich an Rebekka wandte, mit ganzer Kraft zurück. »Schau nicht so erschrocken drein. Es geht zweifellos um einen anderen Patienten. Dir geht's gut, glaub mir.«
    In den zwei Minuten, die Clay weg war, jagten Rebekka ein Dutzend Gedanken durch den Kopf. Irgendetwas war passiert, und es hatte etwas mit ihr zu tun. Sobald Clay wieder zurück war, fragte sie: »Was ist? Hat jemand meinen Hund gefunden? Ist er tot?«
    »Deinen Hund?« Clay sah sie verständnislos an. »Nein, die Sanitäter sagen, sie hätten keinen Hund gesehen. Ich habe dir doch gesagt, dass es um einen anderen Patienten ging.«
    Aber sein Gesicht sah angespannt und blass aus, während er ihre Wunden zu Ende nähte und, sich dabei in Schweigen hüllte. Rebekka hatte Herzklopfen. Wo waren ihre besonderen Fähigkeiten, wenn sie sie brauchte? Warum konnte sie nicht seine Gedanken lesen? Ihre Visionen schienen einen eigenen Willen zu haben und ließen sich nicht von ihr steuern. Sie kamen und gingen, wie es ihnen beliebte.
    Nachdem Rebekka immer nervöser wurde, je mehr Zeit verstrich, zwang sie sich, in Ruhe die Verarztung ihrer zwei Schnitte abzuwarten, inklusive einer Injektion mit Antibiotika und einer Tetanusspritze. Dann gab sie einem Polizisten einen Unfallbericht, wobei sie wohlweislich jeden Bezug zu irgendwelchen »Visionen« vermied. Es war schon nach halb zwölf, als Clay sie in ihren feuchten, Blut befleckten Kleidern aus dem Krankenhaus begleitete, wobei er fürsorglich ihren Arm hielt.
    »Du brauchst mich nicht heimzufahren«, protestierte sie.
    »Die Schwester sagte mir, dass Molly nicht erreichbar sei, deshalb haben wir bei dir zu Hause angerufen. Dein Stiefvater ist nicht da, und deine Mutter hörte sich an, als sei sie nicht ganz auf der Höhe.«
    Nicht ganz auf der Höhe, dachte Rebekka. Eine höfliche Umschreibung für den Umstand, dass ihre Mutter getrunken hatte. Rebekka fragte sich, wie viele Leute wussten, dass Suzanne in den
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