Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glatze mit Sommersprossen

Glatze mit Sommersprossen

Titel: Glatze mit Sommersprossen
Autoren: Wolfgang Ecke
Vom Netzwerk:
übergroßer Baskenmütze an mir vorbeisah.
    „Den gleichen Betrag würde ich Ihnen bezahlen, wenn morgen alles vorbei ist und ich...“ Hier schluckte er so hastig, daß seine Gurgel auf- und abschnellte, „ich noch lebe...“
    „Ts-ts-ts-ts“, machte ich, bevor ich noch einmal in seine Leichenbittermiene hineinfragte:
    „Und Sie haben wirklich keine Ahnung, was man von ihnen will? Sie haben nicht zufällig eines der Beutelchen aus dem Koffer als Andenken behalten?“
    Kasimir sprang auf und sah auf mich herab.
    Heiliges Kanonenröhrchen, daß ein einzelner Mann soviel Traurigkeit in den Augen haben konnte!
    „Also gut, Herr Knoll“, nickte ich und ließ die fünf bläulichen Baskenmützen in der Tasche verschwinden, „machen wir einen Besuch im Bauerngirgl.“
    Das schien sogar Pinsel zu freuen. Plötzlich kam er aus seiner Ofenecke hervor, gähnte, raunzte ein „Wauo-Wauoooo“ und trottete zur Tür.
    Ob er ahnte, daß ich mit ihm noch einen heimlichen Besuch bei Kriminalinspektor Schulz machen wollte?

    Es durchfuhr mich von der obersten Locke bis zum großen Zeh.
    „He!!!!!!“ brüllte ich. „Was soll das, Herr Knoll, wollen Sie dem Omnibus das Fürchten beibringen?“
    Kasimir Knoll trat so heftig auf die Bremse, daß Pinsel wie ein Geschoß an meine Rückenlehne sauste.
    „Das wird er Ihnen nie verzeihen!“ wußte ich, als ich meinen Löwen hinter mir zuerst schmerzerfüllt winseln und anschließend wütend bellen hörte.
    „Bitte, entschuldigen Sie, Herr Pfiff, aber die Angst macht mich nervös... Ich kann kaum richtig durchatmen!“
    „Das ist kein Grund, so zu tun, als wollten Sie den Omnibus mit Ihrer Asphaltblase auf die Hörner nehmen.“
    Beim spinnebeinigen Bonifatius, warum nur war ich nicht mit dem Zug gefahren. Mein Hemd war von den unzähligen Schrecksekunden naß bis zum Gürtel. Sollte ich je eine Sünde begangen haben, so hatte ich sie auf der Fahrt mit Kasimir dem Ängstlichen längst abgebüßt. Irgendwo auf der Autobahn war er mit solcher Geschwindigkeit auf einen anderen PKW zugerast, daß es aussah, als wollte sich der Bedrohte samt teurem Blech mit einem tollkühnen Sprung über die Böschung retten. Glücklicherweise gab es vorher einen Parkplatz. Ich bin sicher, daß es vor ihm noch keinem der Millionen Autofahrer gelungen war, in solchem Raketentempo das Abbiegen auf einen Parkplatz unbeschadet überlebt zu haben.
    „Ich bin Zeuge der Anklage, wenn man mich in den Zeugenstand ruft!“ hatte ich entsetzt geröchelt.
    „Wieso Zeugenstand?“
    „Der Mann, den Sie soeben mit Ihrem Kühler einatmen wollten, wird Sie anzeigen. So einen Schock läßt niemand ungestraft.“
    „Und Sie würden wirklich nicht auf meiner Seite stehen?“
    „Ich würde vor Gericht beantragen, daß man Ihnen den Führerschein entzieht, Herr Knoll, jawoll!“
    Kasimir schwieg beleidigt.
    13.45 Uhr erreichten wir Murnau.
    „Hat das Café einen Parkplatz?“
    „Nein“, schnaufte Kasimir, „aber wenn wir Glück haben, finden wir eine Parklücke in der Nähe. Hoffentlich sind keine Parknasen unterwegs.“
    Heiliges Kanonenröhrchen, ich kannte Sauerkraut mit Bak-ke, süß eingelegte Heringsaugen und gezuckerte Ministerlok-ken, aber von Parknasen hatte ich noch nie gehört.
    „Was sind Parknasen, Herr Knoll?“
    „Das sind Polizisten, deren Lebensfreude darin besteht, Parksünder aufzuschnüffeln.“
    „Aha... und die gibt’s hier?“
    „Die gibt’s überall. Nur in kleinen Städten fallen sie mehr auf, weil die Straßen kürzer sind.“
    „Haben Sie sich schon überlegt, wo ich untertauchen soll?“
    „Neben dem Tisch, an den ich mich setzen soll, gibt’s eine Nische mit Holzgitter. Da setzen Sie sich hin. Von dort aus hören und sehen Sie alles.“
    Wir fanden eine Parklücke.
    „Gehen Sie zuerst, Herr Pfiff. Ich komme in fünf Minuten nach!“
    Da Pinsel zusammengeringelt den Schlaf des Erschöpften schlief, entschloß ich mich, ihn im Wagen zu lassen.
    „Bis später, Herr Knoll!“
    Wunderbar und unvergleichlich diese Duftmischung aus hellem Holz, frischgebrühtem Kaffee, Kuchen, Torten, Zeit und Muße.
    Ich inhalierte sie mit Genuß und Vergnügen und vergaß darüber sogar für Sekunden Kasimir, den Autobahnschreck.
    An dem Tisch unter dem Bild saß eine Lady — die TIMES lag neben ihr! — in Gesellschaft mehrerer Stückchen Torte. Besagte Nische mit dem Holzgitter hatte der Zufall für mich freigehalten.
    Beim Barthaar des Schwülstigen, ich spürte plötzlich einen Hunger. Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher