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Glatze mit Sommersprossen

Glatze mit Sommersprossen

Titel: Glatze mit Sommersprossen
Autoren: Wolfgang Ecke
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gestoßen. In gebückter Haltung hastete er zum Fenster und schielte um die Ecke nach unten.
    Ich kam mir vor wie einer im Theaterparkett bei dem Stück „Kasimir, der Furchtsame“. Geduldig wiederholte ich meine Frage.
    Herr Knoll tastete sich zum Sessel zurück.

    „Ich weiß es nicht!“
    „Na, wenn Sie behaupten, daß man Sie verfolgt, müssen Sie doch Ihre Verfolger kennen, was? Wie sehen sie aus, diese Verfolger? Groß, klein, dick, dünn, blond oder schwarz, rot oder weiß, flink oder träge, alt oder jung?"
    Kasimir, der Ängstliche, sah mich an, als hätte ich „Das Wandern ist des Müllers Lust“ rückwärts gesungen.
    „Ich weiß wirklich nicht, wie er aussieht. Ich habe ihn noch nie gesehen.“
    „Ei der Daus samt Däuschen, woher wissen Sie dann, daß man Sie verfolgt?“
    „Man... man hat mir geschrieben.“
    Seine Hand fuhr in die Tasche. Sekunden später entfaltete ich das Papier und las:

„Knoll! Die Polizei kostet Sie Kopf und Kragen! Wir wissen, daß Sie unser Geheimnis kennen. Wir wollen uns mit Ihnen arrangieren, Sie erhalten Bescheid, wenn es soweit ist. Bis dahin werden wir Sie überwachen. Denken Sie daran, daß Sie ab sofort keinen Schritt mehr unbeobachtet tun.
Und machen Sie einen Schritt, der uns nicht gefällt, dann ist es vorbei mit Ihnen! Dann werden Sie nie wieder eine Briefmarke in die Hand nehmen können.“

    Beim spinnebeinigen Bonifatius, das war der seltsamste Drohbrief, den ich je gelesen hatte.
    „Was soll der Unsinn mit den Briefmarken?“
    „Ich bin Briefmarkenhändler!“
    „Aha, und was ist das für ein Geheimnis?“
    Kasimir Knoll wischte sich den Angstschweiß aus den Augen, bevor er mit seiner „geheimnisvollen“ Geschichte begann.
    „Vorige Woche war ich in der Schweiz zu einer Briefmarkenauktion. Als ich auf der Rückfahrt an der Grenze meinen Kofferraum öffnen mußte, lag darin ein großer Koffer, der mir gar nicht gehörte. Noch bevor ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, klappte der Zöllner den Deckel wieder zu, und ich durfte weiterfahren.“
    Kasimir zitterte richtiggehend in seinem Sessel.
    „Auf dem nächsten Parkplatz habe ich gehalten und den Koffer untersucht. Obenauf lag Wäsche, und unter der Wäsche waren lauter kleine Säckchen gestapelt.“
    „Also Rauschgift“, stellte ich fest. „Warum sind Sie nicht sofort zur Polizei gefahren?“
    Herr Knoll schüttelte den Kopf. „Ich hatte das Gefühl, als ob mich tausend Augen beobachteten. Ich habe den Koffer neben das Auto gestellt und bin wie der Blitz weggefahren. Einen Tag später erhielt ich diesen Brief. Seither kann ich weder schlafen noch essen.“
    „Man hat Sie also als Kurier benutzt. Hm, ich verstehe trotzdem nicht, was man nun noch von Ihnen will.“
    Diesmal fuhr Kasimir Knolls Hand in die andere Tasche. „Das lag heute morgen in meinem Briefkasten!“
    Es handelte sich um einen gelben Umschlag. Gelb war auch der Zettel, der darin steckte. Er enthielt die Aufforderung:

„Fahren Sie morgen nach Murnau!
14 Uhr Treffpunkt Bauerngirgl.
Bleiben Sie im Erdgeschoß und setzen Sie sich an den zweiten Tisch von links. Er steht vor einem Wandgemälde, das einen Mann mit Stock auf einer Bank zeigt. Setzen Sie sich so, daß Sie dem Bild den Rücken zukehren!“

    „B...B... Bitte, begleiten Sie mich, Herr Pfiff, bitte!“
    „Was ist das — Bauerngirgl? Eine Gastwirtschaft?“
    „Nein, ein Café!“
    „Waren Sie schon mal dort?“
    „Noch nie! Ich weiß es von der Telefonauskunft.“
    Ich schüttelte meinen Meisterdetektivkopf.
    „Der Plan hat eine Laufmasche.“
    „L... L... Laufmasche?“ stotterte Kasimir der Ängstliche. „Ja, was machen Sie, wenn der Tisch besetzt ist?“
    Mein Besucher schlug sich erschrocken auf den Mund (sah richtig albern aus!), gurgelte einen Schreckensruf und fragte dann: „Stimmt, was mach ich dann?“
    „Sie können schließlich zu denen nicht sagen: Nun verkrümeln Sie sich mal, ich habe hier eine Verabredung mit einem Banditen, der mich auf den Scheitel hauen will.“
    Kasimirs Briefmarkenhändlerrechte fuhr erschrocken zu seinem Kopf, und sein Gesicht verzog sich schon jetzt schmerzerfüllt. Ich beschwichtigte ihn: „Am besten wird sein, wenn Sie in diesem Fall warten, bis der Tisch frei wird.“
    Er nickte, und seine Hand verschwand zum drittenmal im Inneren des Jacketts. Was er diesmal auf den Tisch legte, machte einen wesentlich freundlicheren Eindruck: Fünf Geldscheine in Blau, von denen ernst und gesammelt ein Gentleman mit
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