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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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Schmutzwasser in die Gosse. Ansonsten war der Markt wie leer gefegt.
Ich bin am Ende der Welt, dachte Cecilia, während sie fröstelnd die Arme um den Oberkörper schlang. Sie versuchte sich Florenz in Erinnerung zu rufen. Die Parfümerien und Hutgeschäfte, die Theater, die Boboli-Gärten mit den Brunnen und Attraktionen, Tancredis Literaturzirkel, in dem die Neuerscheinungen des Buchmarkts besprochen und unter den Tischen die Libells ausgetauscht wurden, in denen scharfzüngige Poeten die Florentiner Oberschicht schmähten …
Die einzige Zeitschrift, die in Montecatini regelmäßig angeliefert wurde, war Rossis Juristenblatt, das zum Fische einpacken taugte oder um an Langeweile zu sterben. Und dennoch, gestand sie sich ein, hatte sie die Hauptstadt, seit sie hier gestrandet war, um Rossis kleine Tochter zu erziehen, noch kein einziges Mal wirklich vermisst.
Sie beugte den Kopf vor, als sie hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Rossi schien den Kampf mit dem Kamin aufgegeben zu haben. Er trat mit seinem Sbirro in den Vorgarten hinaus.
»… hat man ewig Ärger«, tönte Brunos Bass durch die Winterluft. »Komödianten ist ein anderes Wort für Gesindel – da hat Signore Fabbri recht, wenn ich das so sagen darf. Die verstehen’s nur, wenn man Fraktur redet. Ein Tritt in den Hintern, sobald sie ihren Fuß in unsere Stadt setzen.«
»Ein Exempel statuieren.«
»Genau, ja. Man muss …«
Rossi unterbrach ihn gereizt, während er den Arm in seinen Mantel schob. »Das einzige Exempel, Bruno, das man statuiert, wenn man ein Exempel statuiert, ist das Exempel einer Ungerechtigkeit!«
»Giudice …«
»In meinem Gerichtsbezirk werden keine Exempel statuiert«, erklärte der Richter verdrossen. »Sollte ich dich jemals dabei erwischen – und es ist mir gleich, wie hehr deine Motive sind –, dann schmeiß ich dich raus. Das ist mein Ernst, Bruno.«
Die beiden überquerten den Marktplatz. Bevor sie in dem Gässchen neben dem Kaffeehaus verschwanden, drehte Rossi sich noch einmal um. »Es ist in Ordnung, Cecilia, du kannst ihn holen lassen.«
»Wen denn?«, fragte sie scheinheilig.
    Zwei arbeitsreiche Stunden später drückte sie Vitale Greco einige Münzen in die Hand.
    »Dass sie’s immer erst selbst versuchen«, murrte der Kaminfeger und nickte in Richtung Besen mit der Miene eines Mannes, dem die Torheit seiner Mitmenschen als Ranzen voller Steine auf den Buckel gepackt wird. Er war ein nervöser, dürrer, kleinwüchsiger Kerl mit raschen Bewegungen und einer unglaublichen Gelenkigkeit, die es ihm erlaubte, sich wie eine Ratte in den Kaminschloten zu bewegen. Des Übels Wurzel, das er in Gestalt eines Dohlennestes und der toten Nestbauerin aus dem Flugruß gezerrt hatte, lag auf einem Kehrblech.
    »Er ist geläutert«, versicherte Cecilia und pustete in ihre kalten Hände. Sie hatte die Fenster offen stehen lassen in der Hoffnung, dass wenigstens ein Teil des Schmutzes den Weg nach draußen suchen und die frische Luft ihre Lungen reinigen würde. Inzwischen war es nicht mehr ganz so hell wie noch vor einer Stunde.
    »Armes Ding.«
»Bitte?« Cecilia sah, dass der Kaminfeger aus dem Fenster spähte, und sie trat zu ihm und lugte neugierig ebenfalls auf den Marktplatz. Eine Kutsche rollte über das Pflaster, und als sie vorüber war, kam eine Frau zum Vorschein, die, auf eine Krücke gestützt, an dem weißen Marmordenkmal mit der römischen Dame vorbeihumpelte.
»Francesca Brizzi«, erläuterte Greco.
»Ich glaube nicht, dass ich sie kenne.«
Die Fremde war nicht mehr ganz jung, Mitte zwanzig vielleicht. Sie trug einen schlichten grauen Mantel mit einer weiten Kapuze, die sie zurückgeschlagen hatte. Ihre Hände steckten in dicken Wollhandschuhen. Trotz der Gehbehinderung strahlte sie etwas Kraftvolles, Zielstrebiges aus. Ihr Haar war lockig und hübsch, mit mehreren Schleifen gebunden, und sie hatte ein etwas kantiges Gesicht, das Cecilia aber sofort sympathisch fand.
Greco schnaubte durch die Nase. »Francesca kann von Glück sagen, dass sie ihr eigenes Geld verdient, und das sollte sie sich auch klarmachen, zum Trost. Am besten wäre es, wenn sie alles auf sich beruhen lässt. Ändern kann man jetzt sowieso nichts mehr. Und was man nicht ändern kann …«
»Worum geht es denn?«
»Haben Sie noch nicht davon gehört, Signorina? Was im Sumpf passiert ist? Scheußliche Sache!« Der Kaminkehrer zuckte die Achseln und schulterte sein Wegzeug. Mit einem Nicken verschwand er im Korridor.
Die hinkende Frau kam ihm
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