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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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die Tapeten?«, hielt er sie zurück. »Wie lange dauert es, das Zeug an die Wand zu bringen?«
»Kommt drauf an.«
»Auf Paolos Hintern?«
»Ob sie geklebt oder gespannt werden.«
»Seit wann klebt man Tapeten?«, fragte er verblüfft.
»Es ist preisgünstiger. Man fertigt Bögen aus Velinpapier, bedruckt sie mit Temperafarben und klebt sie direkt auf den Putz.«
»Und das geht schneller, als sie zu spannen?«
»Ja«, behauptete Cecilia.
»Es geht nicht schneller.«
»Vielleicht, ich habe keine Ahnung.«
Rossi legte die Feder, mit der er geschrieben hatte, aus der Hand, lehnte sich zurück und seufzte. »Wie bist du in mein Leben gekommen, Cecilia Barghini?«
»Durch unentschuldbare Leichtfertigkeit deiner- und meinerseits. Wir haben einen Moment nicht aufgepasst, und da ist es eben passiert.«
Sie sah ihn lächeln, zum ersten Mal seit er den Kamin gereinigt hatte. »Also gut. Morgen ist Dienstag. Ich muss in Buggiano rapportieren, und Secci leiht mir dafür seine Kutsche. Komm also mit, kauf die verfluchten Tapeten und lass sie kleben, wenn es dich glücklich macht.«
    Buggiano war ähnlich wie Montecatini in zwei separate Ortschaften aufgeteilt. Die verschlafene Altstadt, die bergauf an der alten Frankenstraße lag und aus einer berühmten Kirche und hübschen alten Häusern zwischen Zitronengärten und Thymianhängen bestand, und dem moderneren, in der Ebene gelegenen Ort, der sich aus dem zur Burg gehörigen Marktflecken entwickelt hatte. Das Geschäft mit den Tapeten befand sich wie die meisten Geschäfte unten im Tal.
    »Erst die große Kröte, dann die kleine«, sagte Rossi und lenkte den Wagen die Bergstraße hinauf.
Die kleine Kröte, die er schlucken musste, waren die Tapeten. Die große der Besuch bei seinem Vorgesetzten, Giusdicente Lupori. Während sie den Weg hinaufzuckelten, wunderte Cecilia sich wieder einmal, mit welchem Gleichmut die beiden Männer zum Alltag übergegangen waren, nachdem Lupori seinen Untergebenen durch eine hundsgemeine Intrige ins Gefängnis verfrachtet und damit beinahe umgebracht hätte. Das war etwas, was sie nicht verstand. Rossi brüllte durch sein Gericht, wenn jemand es wagte, in seinem Allerheiligsten auf den Boden zu spucken, er stritt mit Goffredo wegen der Lizenzen, aber dem Mann, der ihn hatte ermorden wollen – und sie nannte es Mord, auch wenn damals alles nach Recht und Gesetz vor sich gegangen war –, begegnete er mit unerschütterlicher Höflichkeit.
»Wird sie schwer zu schlucken sein, die Kröte?«, fragte sie, als sie den Hof vor Luporis Gericht erreichten.
»Nichts, was einen umbringt«, erwiderte er abweisend und sprang vom Bock.
Cecilia rieb die Hände im Muff. Es war nicht mehr ganz so kalt wie in den letzten Tagen, aber wenn man gezwungen war, unbeweglich auf der Bank eines Lando auszuharren – eines vorsintflutlichen, äußerst zugigen Lando, dem ausrangierten Gefährt, das Rossis Assessore ihnen bei Bedarf auslieh, weil Rossi keine Lust hatte, sich ein eigenes anzuschaffen –, dann zwickte die Kälte in jedes Glied.
Sie brauchte allerdings nicht lange zu warten. Rossi hatte das ehrwürdige Gerichtsgebäude kaum betreten, da kehrte er auch schon zurück. Er wendete den Lando und bog in die Gasse ein, in der es steil wieder hinab zum Tor ging. Sein Blick war steinern, ansonsten verlor er kein Wort.
Cecilia mummelte sich tiefer in ihre Decke und genoss den Blick auf die Hügel mit den zypressengesäumten kurvenreichen Wegen und die Weinäcker, die sich bald darauf vor ihr ausbreiteten. Über den Äckern flatterten Vögel, deren schwarzes Gefieder in der Januarsonne glänzte. Jemand hatte eine Vogelscheuche aufgestellt, die mit einem ramponierten Zylinder und an den Stamm gehefteten Stiefeln ihren Besen schwang, um die Amseln und Krähen zu verscheuchen
– allerdings ohne sichtbaren Erfolg. Kinder rannten einen steinigen Pfad hinauf, und aus einer Bauernkate mit angebautem Ziegenstall wehte der Geruch von angebratenem Knoblauch. Sie fand es beinahe schade, als der Lando die letzte Kurve nahm und in den Marktflecken einbog.
Borgo a Buggiano zog sich an einer Hauptstraße entlang, die schließlich auf den Markt mündete. Es war Markttag und entsprechend jede freie Fläche von Händlern besetzt oder von ihren drängelnden Kunden beschlagnahmt. Gänse schnatterten in mistverschmierten Käfigen, ein Rechenmacher pries von einer umgedrehten Regentonne herab seine Geräte an … hält hundert Jahre , wer jetzt nicht kauft , zahlt morgen das Doppelte … ,
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