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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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Bäuerinnen schwatzten hinter den Melkeimern und Küchenfässchen, die sie verkauften, Kühe brüllten und stampften in den eigenen Fladen … Diskret hielt Cecilia sich den Muff vor die Nase. Irgendwo wurden Maronen gegart. Sie hatte Hunger, aber diesem Gemisch – Fladen und Maronen und dazu die Ausdünstungen der Menschen – war ihr Magen nicht gewachsen. Vielleicht reagierte er auch auf das Schaukeln des Landos.
Rossi lenkte ihr Gefährt stoisch durchs Gewühl. Sie kamen nur schrittweise voran und mussten sich eine Latte von Flüchen anhören.
Schließlich tauchte am Endes des Markts das rotgoldene Schild auf, mit dem Giovan Battista Redi sein Geschäft anpries: Decorazione e Tappezzeria . Rossi sicherte den Wagen mit der Bremse und half Cecilia über das Treppchen auf die Straße. Eine kalte Windbö blies ihr ins Gesicht. Sie wich einem Mann mit einem weißen Pelzmantel aus und dann einem Jungen, der auf einem Brett Salzfische balancierte …
Und in diesem Moment sah sie die Frau.
Man hatte sie in eine Trülle gesperrt, einen drehbaren Pranger aus hölzernen Gitterstäben, ähnlich einem Vogelkäfig, mannshoch und so breit im Durchmesser, dass gerade eine Person darin Platz hatte. Um den Pranger tobte die übliche Bande von Gassenjungen, die sich damit vergnügten, der Trülle Stöße zu versetzen, um sie zum Kreiseln zu bringen. Das Strafinstrument war gut geschmiert, und so sauste der runde Käfig bald in diese und bald in jene Richtung.
»Rossi, warte …«
Aber er hatte bereits in dieselbe Richtung geschaut. Sie sah, wie er erbleichte. Man hatte Francesca Brizzi die Krücke fortgenommen. Daher musste sie das gesunde Knie gegen das Gitter drücken, um nicht in sich zusammenzusinken. Ihre Hände umklammerten die Holzstäbe. Ihre Lippen waren blau vor Anstrengung oder vor Kälte, denn sie trug nur ihr fadenscheiniges Kleid. Der Mantel lag neben der Trülle auf dem Boden.
Entsetzt griff Cecilia Rossis Arm.
Die Trülle drehte sich in einem neuen Wirbel. Die Jungen schubsten sich und lachten über die Bemerkung einer Frau, die sich an ihnen vorbeidrängte. Ein Mann mit einer verdreckten blauen Perücke spuckte in den Käfig. Er feierte seine Zielsicherheit mit einem erfreuten Schenkelklopfer.
Als Rossi ihre Hand abstreifte, zuckte Cecilia zusammen.
»Verschwinde. Kauf die Tapeten.«
Die Trülle bekam einen neuerlichen Stoß. Es war eigentlich unmöglich, dass Francesca in diesem Gewimmel, das an ihr vorbeisauste, irgendeine bestimmte Person ausmachen konnte, und doch schien es Cecilia, als würde sie ihr in dem kurzen Moment, in dem der Schwung des Käfigs nachließ, direkt ins Gesicht schauen.
Sie wollte etwas sagen, aber Rossi schob sie zur Tür. Und im nächsten Augenblick wurde sie von der Eleganz des Einrichtungsladen umfangen. Der Lärm brach ab. Es war, als hätten sich Markt, Trülle und das gesamte vulgäre Pack, das sich dort tummelte, in Luft aufgelöst. Als Cecilia sich umdrehte, sah sie durch das Fenster, wie Rossi auf den Lando sprang. Die Trülle war ihren Blicken entschwunden.
»Signora, buongiorno.« Eine rundliche Dame steuerte auf sie zu und wedelte mit den Händen. Und in der folgenden halben Stunde war jeder Gedanke, der sich nicht mit Einrichtungen und Tapeten befasste, unmöglich.
Signore Redi selbst war nicht anwesend, wie die Dame ihr auseinandersetzte, aber sie kannte sich ebenfalls vorbildlich aus im Geschäft, denn sie war Signore Redis Schwiegermutter, und ehemals hatte das Geschäft ihrem leider viel zu früh verstorbenen Gatten gehört. Aber natürlich stand sie auch dem Schwiegersohn zur Seite, und das von Herzen gern, denn der Schmuck eines Hauses berührte doch das Weibliche in seiner tiefsten Form, und gerade Wandbekleidungen …
Cecilia schaute zur Tür, aber ein Vorhang sperrte den Markt aus. Die Signora empfahl ihr Velintapeten, wie sie erwartet hatte, und zwar marmoriert, sowohl für das Speisezimmer als auch für die Bibliothek und die Diele. In einem Ockerton, der so neutral war, dass er sich auch mit dem schwierigen Grün, das Cecilia beschrieb, aufs Günstigste vermählen würde. Sie hatte Farbproben. Wenn die Signorina einmal schauen wollte … Vielleicht konnte man in einem kleineren Zimmer auch ein zartes Malvenrot wagen …
Ich hätte zu ihr gehen und ihr Mut zusprechen müssen, dachte Cecilia, während ihr Blick wieder zur Tür irrte. Obwohl – vielleicht hätte es Francescas Kränkung auch verdoppelt, wenn sie gemerkt hätte, dass sie von einer ihr bekannten Dame
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