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Gilgamesch - Der Untergang

Gilgamesch - Der Untergang

Titel: Gilgamesch - Der Untergang
Autoren: Andreas Geist
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Traurigkeit in Christophers Augen sah, fügte er zögernd hinzu:
    „Sie hat eines unserer abhörsicheren Handys“. Sven zog seines aus der Jackentasche und reichte es Christopher.
    „Du musst nur die Wahlwiederholung drücken“.
    Ein Ausdruck des Verstehens huschte über Christophers Gesicht, dann lächelte er dankbar und hielt sich das kleine Gerät, das sich in nichts von einem gewöhnlichen Handy unterschied, ans Ohr. Nach nur einem Läuten meldete sich Carolin.
    „Hallo Carolin“.
    Sie war überrascht.
    „Du?“, fragte sie ungläubig. Dann hatte sie sich gefasst. Sie wollte ihrem Mann eine Standpauke halten, ihn beschimpfen wegen seiner Affäre, wegen seiner Rücksichtslosigkeit und Ignoranz, doch sie konnte nur schluchzen, und sie hasste sich in diesem Moment dafür.
    „Ich liebe Dich“, sagte er aufrichtig, „bitte verzeih mir."
    Mehr brachte auch er nicht hervor. Seine Stimme versagte, und der Kloß im Hals hinderte ihn daran, weiter zu sprechen. Sie schwiegen beide, doch auch dieses Schweigen war eine Botschaft. Sie kamen sich in diesen wenigen Augenblicken sehr nahe, und beiden wurde das zerbrechliche Glück bewusst, das sie wieder finden konnten, wenn sie es nur wollten.
    „Ich liebe Dich auch“, flüsterte Carolin in ihr Handy, dann schluchzte sie und legte auf.
    Sven wusste nicht, was Carolin ihrem Mann gesagt hatte, doch er ahnte, dass sie beide in diesem Moment eine Entscheidung getroffen hatten.  Er spürte, dass er sie ein zweites Mal verlieren würde. Es war Unsinn, denn er hatte sie nie besessen, weil er damals kampflos aufgegeben hatte. Sollte er dieses Mal um sie kämpfen? Hatte er das Recht, die Bande zu zerreißen, die eine Familie über Jahrzehnte geknüpft hatte? Er wusste es nicht. Verzweifelt musste er feststellen, dass seine persönliche Verstrickung in diese Geschichte ein ernstes Problem wurde. Genau das durfte nicht geschehen. Sein Ausbilder hatte ihn davor gewarnt. Enge Beziehungen zu Opfern und Verdächtigen machte jede Objektivität zunichte.
    Nachdem die Blutproben durch den zuständigen Laboranten abgenommen worden waren, und die beiden Minisender kaum sichtbar unter der Haut lagen, wurden die beiden Männer zu Christophers Haus gebracht, wo sie sich umziehen konnten.
    Das Haus war zwar verwanzt, doch gerade deshalb war es unverdächtig, wenn sie dort erst einmal eine kurze Pause einlegten.
    Als sie das Haus betraten, war beiden mulmig zumute. Herbert fing eine belanglose Plauderei über einen Espresso an, den er jetzt gerne hätte. Christopher ging auf die Plauderei ein. Sie machten sich etwas zu essen, tranken zusammen eine halbe Flasche Wein, noch einen Espresso, und ohne die ungewöhnliche Stille im Haus wäre alles wie früher gewesen.
    Sie hatten sich umgezogen und für Herbert ein etwas enges Outfit zusammengestellt. Es war nicht zu ändern. Er hatte Sport immer gehasst, und dies in den vergangenen Jahren mit zunehmendem Bauchumfang bezahlt.
    Nach einer Stunde verließen sie das Haus und fuhren zurück nach Tübingen.

23.
     
    Im Verbindungshaus der Communitas Saturni herrschte rege Betriebsamkeit. Aus den Zimmern drangen gedämpft Wortfetzen und Geräusche auf den überdimensionierten Gang, von dem vollkommen symmetrisch die einzelnen Räume abgingen, wie es für alte, klassizistische Gebäude typisch war.
    Herr Gryphius empfing sie mit gespannter Erwartung in seinem Büro im Erdgeschoss.
    „Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht“, war seine Begrüßung, die weniger nach Sorge klang, als vielmehr nach einer misstrauischen Aufforderung einen detaillierten Bericht über die vergangenen vierundzwanzig Stunden abzuliefern.
    Herbert erzählte die Einzelheiten über den Fund der Blutreliquie auf dem Odilienberg und stellte den zerbeulten Stahlkoffer auf den mächtigen Eichenschreibtisch.
    Die Augen von Herrn Gryphius leuchteten und es schien so, als ob er den anschließenden Ausführungen über den Unfall, das Bad im See und die Rettung durch einen Streifenwagen nur noch wenig Aufmerksamkeit schenkte. Seltsam. Warum fühlte er sich so sicher? Hatte er keine Angst, dass die Polizei weitere Nachforschungen anstellen würde?
    Über den Tod Heinrichs verlor er kein Wort. Offensichtlich war jeder in der Gemeinschaft ersetzbar. Er öffnete den Koffer und hielt die trübe Glasphiole gegen die Schreibtischlampe. Ein schwer zu deutendes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, dann wurde er ernst, packte das Glasgefäß zurück in den Koffer und lies ihn in einem modernen
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