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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn
Autoren: N. Singh
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Flügel, ein blutüberströmtes Gesicht und an Hände erinnern, die sie schützend hielten, während sie dem diamantharten Straßenpflaster entgegenstürzten. »Sag mal, Raphael…«
    Er war schon im Begriff, sich umzudrehen und auf die Tür zuzugehen. »Was möchtest du wissen, Gildenjägerin?«
    Sie verbarg ihr Lächeln über seinen Versprecher. »Wie soll ich dich nennen? Gatte? Mann? Freund?«
    Die Hand schon am Türknauf, hielt er inne und warf ihr einen unergründlichen Blick zu. »Du kannst mich ›Meister‹ nennen.«
    Elena starrte auf die verschlossene Tür und fragte sich, ob er sie auf den Arm nahm. Sie wusste es nicht, kannte ihn nicht gut genug, um seine Stimmungen einzuschätzen und zu wissen, wann es ihm ernst war. Unter Schmerzen und Angst waren sie zusammengekommen, das Schreckgespenst des Todes hatte sie in einen Bund gedrängt, der sonst wohl Jahre gebraucht hätte. Wenn nicht Uram zu einem Blutengel geworden wäre und eine mörderische Kluft durch die Welt getrieben hätte.
    Raphael hatte ihr erklärt, Ambrosia – der Stoff, um einen Menschen in einen Engel zu verwandeln – entstünde nur bei wahrer Liebe auf der Zunge eines Erzengels, aber vielleicht war ihre Verwandlung gar nicht auf tiefe Gefühle zurückzuführen, sondern ergab sich aus einer sehr seltenen symbiotischen Verbindung. Letztlich schufen Engel auch Vampire, und die biologische Verträglichkeit spielte dabei eine entscheidende Rolle.
    »Verdammt!« Sie rieb sich das Herz, versuchte den jähen Schmerz loszuwerden.
    Du faszinierst mich.
    Das hatte er zu Beginn gesagt. Vielleicht hatte es diese Faszination einmal gegeben. »Sei mal ehrlich, Elena«, flüsterte sie, während sie über die prachtvollen Flügel strich, die sein Geschenk an sie waren, »du bist doch diejenige, die der Faszination erlegen ist.«
    Aber der Sklaverei würde sie nicht erliegen.
    »Du kannst mich mal mit deinem Meister.« Sie blickte in den ihr fremden Himmel über dem Balkon und spürte, wie sie immer entschlossener wurde – genug des Abwartens. Anders als ein Mensch hatte sie ihre Muskulatur im Koma nicht eingebüßt. Aber ihre Muskeln hatten eine kaum nachvollziehbare Wandlung durchgemacht – alles fühlte sich schwach an, ungewohnt. Doch obwohl sie keine Rehabilitation nötig hatte, brauchte sie dringend Bewegung. Insbesondere ihre Flügel. »Besser gleich als später.« Sie setzte sich auf, atmete einmal tief durch … und breitete ihre Flügel aus.
    »Verdammt, tut das weh!« Sie biss die Zähne zusammen, Tränen standen ihr in den Augen, doch sie gab nicht auf, dehnte die nagelneuen, unbekannten Muskeln; zog die neugebildeten Flügel sachte ein, bevor sie sie entfaltete. Nach drei Wiederholungen liefen ihr die Tränen übers Gesicht, und sie schmeckte nur noch Salz, die Schweißperlen auf ihrer Haut glänzten im Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel.
    In diesem Moment kam Raphael zurück. Elena hatte einen Ausbruch erwartet, doch er setzte sich nur wortlos ihr gegenüber auf einen Stuhl und schaute sie an. Misstrauisch beobachtete sie, wie er dasaß, ein Bein über das andere gelegt, und sich mit einem goldgeränderten Briefumschlag lässig an die Stiefelspitze klopfte.
    Sie hielt seinem Blick stand, probierte die Flügel noch zweimal aus. Ihr Rücken fühlte sich wie Wackelpudding an, die Bauchmuskeln waren so verkrampft, dass sie schmerzten. »Was ist denn« – sie hielt inne, um Luft zu holen – »in dem Umschlag?«
    Ihre Flügel klappten zusammen, und sie spürte, wie sie an das Kopfende des Bettes sank. Es dauerte einen Augenblick, bis Elena begriff, dass er sie manipuliert hatte. Tief in ihrem Inneren wurde ihr ganz kalt, auch wenn er aufstand und ihr jetzt ein Handtuch aufs Bett warf. Verdammt, das würde er nicht noch einmal mit ihr machen!
    Doch trotz des in ihr tobenden Unmuts wischte sie sich schweigend über das Gesicht. Denn er hatte recht: Sie war ihm nicht ebenbürtig, bei Weitem nicht. Und durch das Koma war sie ein wenig durcheinandergeraten. Von jetzt an würde sie an dem Schutzschild arbeiten, mit dem sie schon vor ihrem Engelsein begonnen hatte. Möglicherweise konnte sie es nun aufgrund der Veränderungen für eine längere Zeitspanne aktivieren.
    Verzweifelt versuchte sie, ihre verhärtete Schultermuskulatur zu entspannen, nahm ein Messer vom Nachttisch und reinigte die Klinge mit dem Handtuchzipfel. »Geht es dir jetzt besser?«
    »Nein.« Er kniff die Lippen zusammen. »Hör mal gut zu, Elena. Ich werde dir nicht wehtun,
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