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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn
Autoren: N. Singh
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Mal geblutet?«, fragte er im Plauderton, ließ das Messer auf den ehemals weißen Teppichboden fallen und ballte die Hand zur Faust. Innerhalb einer einzigen Sekunde brachte er die Blutung zum Stillstand.
    »Du hast mich gezwungen, meine Hand um eine Klinge zu schließen.« Immer noch hämmerte ihr Herz angesichts der unglaublichen Geschwindigkeit, mit der er sich bewegen konnte. Gütiger Gott! Und sie hatte diesen Mann mit ins Bett genommen. Begehrte ihn selbst jetzt.
    »Hmm.« Er stand auf und kam auf sie zu.
    Auch wenn er gesagt hatte, er würde ihr niemals wehtun, in diesem Moment war sie sich dessen nicht so sicher. Sie krallte die Finger ins Laken, er setzte sich zu ihr, bedeckte mit einem Flügel ihre Beine. Warm und ungewohnt schwer fühlte er sich an. Ein Engelsflügel war kein Ziergegenstand, wie sie langsam begriff, Flügel bestanden aus schieren Muskeln, über Knochen gespannten Sehnen, und mussten wie alle Muskeln vor Gebrauch erst einmal trainiert werden. Bislang hatte sie sich in Momenten großer Erschöpfung immer nur darum sorgen müssen, nicht über ihre Füße zu stolpern. Nun musste sie gar befürchten, vom Himmel zu stürzen.
    Aber im Moment tanzte eine Gefahr ganz anderer Art vor ihren Augen.
    Jetzt sah sie nur noch Blau.
    Seit sie Raphael kannte, war Blau für sie zur Farbe der Sünde geworden, der Verführung. Des Schmerzes.
    Er lehnte sich vor, strich ihr das Haar mit den Fingern zurück, Fingern, die es verstanden, ihr auf geradezu quälende Weise Genüsse zu verschaffen … und hauchte ihr einen Kuss auf die hämmernde Schläfe. Sie erschauerte und ertappte sich dabei, wie sie ihm durchs Haar fuhr. Wieder küsste er sie, heftiger, und die Wärme, die sie in ihrem Bauch spürte, breitete sich träge in ihrem ganzen Körper aus, überall pochte das Verlangen.
    Aus den Augenwinkeln nahm sie etwas Glitzerndes wahr. Und augenblicklich wusste sie, dass er sie mit Engelsstaub bedeckt hatte, einer köstlich dekadenten Substanz, für die manche Menschen Unsummen zahlten. Aber Raphael hatte eine besondere Mischung eigens für sie. Durch das Einatmen der winzigen Teilchen verstärkte sich ihre Erregung noch, bis sie schließlich nur noch an Sex denken konnte; der Schmerz in ihren Flügeln, selbst ihr Ärger, waren wie weggeblasen.
    »Ja«, flüsterte er an ihren Lippen. »Du wirst mich bis in alle Ewigkeit faszinieren.«
    Eigentlich hätte diese Äußerung nun alles verderben müssen, aber nichts dergleichen geschah. Nicht, wenn in seinen Augen und in seiner Stimme solch erotische Verheißung lag. Unwillkürlich bemühte sie sich, ihn näher an sich heranzuziehen, aber er presste die Lippen aufeinander. »Nicht, Elena. Ich würde dich zerbrechen.« Geradeheraus. Und er hatte recht. »Lies das.« Er legte den Umschlag neben sie und erhob sich. Er breitete seine prächtigen weißen Schwingen aus – jede einzelne Feder hatte eine Spitze aus glänzendem Gold – und brachte sie damit fast zur Ekstase.
    »Hör auf damit!« Atemlos klang ihre Stimme, ihr Mund gefüllt mit seinem scharfen männlichen Aroma. »Wann werde ich das auch können?«
    »Diese Fähigkeit entwickelt sich erst mit der Zeit, und nicht jeder Engel beherrscht sie.« Er legte seine Flügel wieder zusammen. »In vierhundert Jahren wirst du es vielleicht wissen.«
    Ungläubig starrte sie ihn an. »Vierhundert? Jahre?«
    »Du bist jetzt unsterblich.«
    »Wie unsterblich?« So dumm war die Frage gar nicht, denn, wie sie sehr wohl erlebt hatte, konnten selbst Erzengel sterben.
    »Die Unsterblichkeit braucht Zeit zu reifen – sich zu setzen, und du bist gerade erst erschaffen worden. Im Moment könnte dich sogar ein starker Vampir umbringen.« Er legte den Kopf leicht schräg und wandte seine Aufmerksamkeit dem Himmel zu, der jenseits der Scheibe lag, die, wie Raphael ihr versichert hatte, aus Spiegelglas bestand, sodass sie sich von hier aus ungesehen mit ihrer neuen Lebensweise vertraut machen konnte.
    »Anscheinend ist die Zufluchtsstätte heute ein beliebter Ort.« Mit diesen Worten schritt er auf die Balkontüren zu. »Wir müssen auf diesen Ball gehen, Elena. Alles andere wäre ein Zeichen tödlicher Schwäche.« Er schloss die Türen hinter sich, breitete die Flügel aus und erhob sich kerzengerade in die Lüfte.
    Elena rang nach Atem bei dieser unbeabsichtigten Demonstration seiner Stärke. Jetzt, da sie das Gewicht der Flügel am eigenen Leib spürte, wurde ihr das Besondere von Raphaels Kräften erst bewusst. In einem weiten Bogen
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