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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Autoren: N. Singh
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offensichtlich scherte sich der Erzengel wenig um das Nervenkostüm seiner Gäste.
    Doch konnte Elena auch nicht behaupten, er sei ein schlechter Gastgeber– in der Mitte der großen, freien Fläche stand in einsamer Pracht ein Tisch, gedeckt mit Croissants, Kaffee und Orangensaft. Auf den zweiten Blick erkannte sie, dass das Dach nicht aus einfachem Beton bestand. Es war mit kleinen dunkelgrauen Fliesen bedeckt, die im Sonnenlicht silbern schimmerten. Wunderschön und zweifellos ein Vermögen wert. Was für eine Verschwendung, dachte sie, bis ihr einfiel, dass ein Dach für geflügelte Wesen durchaus nicht dasselbe wie für Menschen bedeutete.
    Von Raphael keine Spur.
    Elena öffnete die Glastür und trat ins Freie. Erleichtert stellte sie fest, dass die Fliesen eine raue Oberfläche hatten– im Augenblick wehte nur eine leichte Brise, doch sie wusste sehr wohl, dass der Wind in diesen Höhen überraschend heftig werden konnte und hohe Absätze nicht gerade einen besonders festen Stand verliehen. Ob das Tischtuch am Tisch festgenagelt war? Denn sonst würde es eher früher als später samt Essen davonfliegen.
    Andererseits würde ihr das auch nicht besonders viel ausmachen. Nervosität wirkte nicht gerade appetitanregend.
    Sie legte ihre Handtasche hin, ging vorsichtig vor zu einer Seite des Daches… und spähte hinunter. Heiterkeit überkam sie beim Anblick der Engel, die unter ihr ein-und ausflogen. Beinahe schienen sie nahe genug, um die Hand danach auszustrecken; ihre mächtigen Flügel waren verführerisch wie die Gesänge der Sirenen.
    »Vorsicht.« Die Stimme klang sanft und hatte einen leicht amüsierten Unterton.
    Elena war nicht vor Schreck zusammengefahren, denn sie hatte den leichten Windstoß seiner fast lautlosen Landung gespürt. »Würden die Engel mich auffangen, wenn ich fiele?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
    »Wenn ihnen gerade danach ist.« Er trat neben sie, und aus den Augenwinkeln bemerkte sie seine Flügel.
    »Leiden Sie nicht unter Höhenangst?«
    »Nein, habe ich noch nie«, bekannte sie, dabei jagte ihr die schiere Macht, die er verströmte, eine solche Angst ein, dass ihre Stimme geradezu normal klang. Das war ihre Rettung, denn sonst hätte sie auf der Stelle angefangen zu schreien. »Ich bin noch nie zuvor irgendwo so weit oben gewesen.«
    »Wie finden Sie es?«
    Elena holte tief Luft und trat dann einen Schritt zurück, bevor sie sich zu ihm umdrehte. Wie ein Schlag traf sie sein Anblick. Er war… »Wunderschön.« Die Augen waren von solch klarem Blau, als wären sie von einem himmlischen Künstler aus zermahlenen Saphiren mit dem feinsten Pinsel auf Leinwand aufgetragen worden.
    Sie hatte den Schock seines Anblicks noch nicht überwunden, als plötzlich eine Bö über das Dach hinwegfegte und eine Strähne seines schwarzen Haares anhob. Doch schwarz war ein viel zu zahmes Wort. Die Farbe war so rein, dass in ihr die Nacht widerhallte, leidenschaftlich und lebendig. Lose fiel ihm das Haar in den Nacken, umrahmte sein scharfkantiges Gesicht– Elena juckte es in den Fingern darüberzustreichen.
    Raphael war wirklich schön, schön wie ein Kämpfer oder ein Eroberer. Jeder Zentimeter seiner Haut, jede Zelle seines Körpers vermittelte Macht. Dabei hatte sie noch nicht einmal seine geradezu perfekten Flügel ganz gesehen. Die Federn waren puderweiß und schienen mit Gold bestäubt. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass jedes selbst noch so kleine Federchen eine goldene Spitze hatte.
    »Ja, es ist wunderschön hier oben«, sagte er und unterbrach damit ihre schwärmerischen Gedanken.
    Irritiert blinzelte sie und spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, denn sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. »Ja.«
    In seinem Lächeln lag ein Anflug von Spott, von eitler Männlichkeit… und einer unverhohlenen tödlichen Zielstrebigkeit. »Lassen Sie uns beim Frühstück plaudern.«
    Wütend kaute sie auf den Innenseiten ihrer Wangen herum, weil sie sich von Raphaels physischer Erscheinung so hatte ablenken lassen. In diese Falle würde sie nicht ein zweites Mal tappen. Ganz offensichtlich war er sich seiner Schönheit bewusst, wusste, welchen Eindruck er bei arglosen Sterblichen hinterließ. Das machte ihn zu einem AS, einem arroganten Scheißkerl, dem sie mit Leichtigkeit widerstehen würde.
    Er rückte einen Stuhl vom Tisch ab und wartete. Sie blieb in einiger Entfernung stehen, war sich seiner Größe und Stärke nur allzu bewusst. Elena war es nicht
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