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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Autoren: N. Singh
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die meisten war es viel leichter, jemanden zu verstümmeln und zu foltern, der wie ein wandelnder Leichnam aussah, als jemanden, der ihr bester Freund hätte sein können. Oder ihr Schwager, so wie bei Elena. »Wenn sie so jung sind, können sie sich noch nicht selbst versorgen, geschweige denn fliehen.«
    »Trotzdem werden wir einen Versuch machen.« Der Erzengel griff nach dem Glas Orangensaft und nahm einen Schluck. »Essen Sie.«
    »Ich habe keinen Hunger.«
    »Es ist eine Blutsünde, die Gastfreundschaft eines Erzengels zu verschmähen.«
    Elena hatte dieses Wort noch nie zuvor gehört, doch da es Blut beinhaltete, konnte es nichts Gutes bedeuten. »Ich habe schon zu Hause gegessen.« Das war eine faustdicke Lüge. Zu Hause hatte sie gar nichts herunterbekommen, außer Wasser, und auch das nur mit Mühe.
    »Dann trinken Sie zumindest etwas.« Das war ein klarer Befehl, der unverzüglichen Gehorsam forderte.
    Irgendetwas brannte bei ihr durch. »Denn sonst…?«
    Der Wind stand still. Selbst die Wolken schienen zu erstarren.
    Elena hörte das Flüstern des Todes.
    3
    Ganz instinktiv wollte Elena nach dem Messer in ihrem Stiefel greifen, zustechen und schleunigst verschwinden, doch sie zwang sich zur Ruhe. Sie wäre auch keine zwei Schritte weit gekommen, Raphael hätte ihr jeden einzelnen Knochen im Körper gebrochen.
    Genau das hatte er mit einem Vampir getan, der ihn hatte hintergehen wollen.
    Mitten auf dem Times Square hatte man den Vampir gefunden. Er war noch am Leben. Und schrie immer noch vergebens: »Nein! Raphael, nein!« Doch seine Stimme war nur noch ein Krächzen, denn sein Kiefer hing lediglich an schnurdünnen Sehnen, stellenweise fehlte sogar das Fleisch.
    Elena, die zu der Zeit außer Landes auf Jagd gewesen war, hatte die Berichterstattung in den Nachrichten verfolgt. Der Vampir hatte drei Stunden lang Todesqualen ausgestanden, bis er schließlich von zwei Engeln abgeholt worden war. Jeder in New York, vermutlich sogar jeder im ganzen Land, hatte gewusst, dassder Vampir dort lag, doch keiner hatte es gewagt, ihm zu helfen, weil ihm Raphaels Zeichen auf der Stirn brannte. Der Erzengel hatte die Bestrafung vor aller Augen ausgeübt, wollte daran erinnern, wer und was er war. Es hatte funktioniert. Jetzt reichte schon die Nennung seines Namens aus, um Angst zu verbreiten.
    Doch Elena würde nicht vor ihm kriechen, vor niemandem. Diesen Entschluss hatte sie in jener Nacht gefasst, in der ihr Vater sie zwingen wollte, vor ihm bettelnd auf die Knie zu gehen, damit er sie vielleicht, aber nur vielleicht, wieder in die Familie aufnahm.
    Seit zehn Jahren hatte sie nun schon nicht mehr mit ihrem Vater gesprochen.
    »Sie sollten vorsichtiger sein«, sagte Raphael in die unnatürliche Stille hinein.
    Bei diesen Worten empfand Elena keine allzu große Erleichterung, denn die Bedrohung lag noch immer in der Luft. »Ich mag keine Spielchen.«
    »Gewöhnen Sie sich daran.« Er lehnte sich wieder zurück. »Wenn Sie nur Ehrlichkeit erwarten, werden Sie nicht lange leben.«
    Da sie spürte, dass die Gefahr vorbei war– im Augenblick wenigstens–, öffnete sie mühsam ihre Fäuste. Das zurückströmende Blut pulsierte schmerzhaft in ihren Fingern. »Ich habe nicht gesagt, dass ich Ehrlichkeit erwarte. Menschen lügen. Vampire lügen. Selbst…« Sie konnte sich gerade noch beherrschen.
    »Sie werden doch nicht etwa jetzt Zurückhaltung üben?« Da war sie wieder, diese Heiterkeit, doch hatte sie jetzt einen scharfen Unterton angenommen, der ihr wie ein Messer über die Haut strich.
    Elena blickte in Raphaels vollkommenes Gesicht, nie zuvor war sie einem gefährlicheren Wesen begegnet. Sollte sie sein Missfallen erregen, würde Raphael sie genauso mühelos beseitigen, wie sie eine lästige Fliege erschlagen würde. Auch wenn essie noch so wütend machte, sie würde nicht so dumm sein, das zu vergessen. »Sie sagten, Sie wollten mich auf die Probe stellen?«
    In diesem Moment bewegte er leicht seine Flügel und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ihren Anblick. Sie waren so schön, dass Elena gar nicht anders konnte, als sie zu begehren. Fliegen zu können… was für eine herrliche Gabe.
    Raphaels Augen richteten sich auf einen Punkt über ihrer linken Schulter. »Es ist eher ein Experiment als eine Prüfung.«
    Sie drehte sich nicht um, das war nicht nötig. »Hinter mir steht ein Vampir.«
    »Sind Sie sicher?« Sein Gesicht zeigte keinerlei Reaktion.
    Jetzt hätte sie sich gerne umgedreht. »Ja.«
    Er nickte.
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