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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Autoren: N. Singh
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gewohnt, sich klein zu fühlen. Oder schwach. Dass er in ihr beide Gefühle auslöste– und sich nicht einmal besondere Mühe geben musste–, machte sie so wütend, dass sie zu einem Vergeltungsschlag ausholte. »Ich habe ungern jemanden im Rücken.«
    In den blauen, so unglaublich blauen Augen blitzte es überrascht auf. »Sollte nicht vielmehr ich derjenige sein, der ein Messer im Rücken zu fürchten hat? Schließlich tragen Sie die versteckten Waffen.«
    Dass er bei ihr Waffen vermutete, hatte nichts zu bedeuten. Ein Jäger war stets bewaffnet. »Aber ich bin sterblich und Sie nicht.«
    Amüsiert winkte er ab und begab sich auf die andere Seite des Tisches; dabei hinterließen seine Flügel eine schimmernde weißgoldene Spur auf den blanken Fliesen. Bestimmt hatte Absicht dahintergesteckt. Denn Engel verloren nicht ohne Grund Engelsstaub. Wenn sie es taten, beeilten Menschen und Vampire sich gleichermaßen, ihn aufzuheben. Für ein bisschen glänzenden Staub wurde mehr gezahlt als für einen perfekt geschliffenen Diamanten.
    Doch wenn Raphael sich einbildete, sie würde jetzt auf Knien den Staub zusammenkratzen, hatte er sich gehörig in ihr getäuscht.
    »Sie fürchten sich nicht vor mir«, sagte er.
    Sie war nicht so dumm, ihn anzulügen. »Doch, ich sterbe fast vor Angst. Aber Sie haben mich sicherlich nicht den ganzen Weg hierherkommen lassen, um mich vom Dach zu schubsen.«
    Seine Lippen kräuselten sich, als hätte sie etwas Komisches gesagt. »Setzen Sie sich, Elena.« Ganz fremd klang ihr Name aus seinem Mund. Bezwingend. Als wenn er damit Macht über sie gewänne. »Wie Sie schon bemerkt haben, habe ich nicht die Absicht, Sie umzubringen. Nicht heute.«
    Ganz Kavalier alter Schule, wartete er, bis sie sich mit dem Rücken zum Fahrstuhl gesetzt hatte. Dann nahm er ebenfalls Platz und legte seine Flügel anmutig über die Lehne des für einen Engel angefertigten Stuhls. »Wie alt sind Sie?«, hörte sie sich neugierig fragen, bevor sie die Frage hinunterschlucken konnte.
    Raphael zog eine perfekt geschwungene Braue in die Höhe. »Haben Sie denn gar keinen Sinn für Selbsterhaltung?« Auch wenn es nur so dahingesagt war, spürte Elena den stahlharten Unterton.
    Ein Schauer lief ihr über den Rücken. »Einige würden mir das absprechen– schließlich bin ich eine Vampirjägerin.«
    In den kristallinen Tiefen dieser himmlischen Augen schimmerte es dunkel und äußerst gefährlich.
    »Eine Jägerin von Geburt, keine angelernte.«
    »Ja.«
    »Wie viele Vampire haben Sie denn gefangen oder getötet?«
    »Das wissen Sie besser als ich. Deshalb sitze ich doch hier.«
    Erneut fuhr ein Windstoß über das Dach, diesmal so stark, dass die Tassen klapperten und sich eine Strähne aus Elenas zum Zopf geflochtenem Haar löste. Sie versuchte erst gar nicht, die Strähne wieder festzustecken, stattdessen widmete sie ihre volle Aufmerksamkeit dem Erzengel. Dieser betrachtete sie seinerseits wie ein großes Raubtier den Hasen, den es gleich verschlingen wird.
    »Durch welche besonderen Fähigkeiten zeichnen Sie sich aus?« Die Frage war eine Aufforderung, ihr schneidender Ton eine Warnung. Der Erzengel fand sie nicht länger komisch.
    Elena zwang sich, ihn anzusehen, obwohl sie die Nägel in die Oberschenkel graben musste, um einen inneren Halt zu finden. »Ich kann Vampire wittern. Sie anhand ihres Geruchs voneinander unterscheiden.« Eine eher nutzlose Begabung– es sei denn, man war Vampirjäger. Der Begriff »Berufswahl« verlor damit jegliche Bedeutung.
    »Wie alt muss ein Vampir sein, damit Sie ihn wahrnehmen können?«
    Eine seltsame Frage, und Elena dachte ein Weilchen nach, bevor sie antwortete. »Der jüngste Vampir, den ich aufgespürt habe, war zwei Monate alt. Aber das war ein Grenzfall, denn meistens dauert es ein Jahr, bevor sie übermütig werden.«
    »Also hatten Sie bislang noch nie Kontakt mit noch jüngeren Vampiren?«
    Elena wusste nicht, worauf er mit seinen Fragen abzielte. »Kontakt schon, aber nicht als Jägerin. Sie sind ein Engel– Sie wissen ja, dass Geschöpfe im ersten Monat nach ihrer Erschaffung noch nicht so gut funktionieren.« Genau dieses Entwicklungsstadium war es, das dem Mythos von Vampiren als leblosen Zombies ohne eigenen Willen Nahrung gab.
    In den ersten Wochen waren sie wirklich gruselig. Mit ihren weit aufgerissenen, seelenlosen Augen, der bleichen toten Haut und ihren unkoordinierten Bewegungen. Deshalb vergriffen sich Vampirhasser auch immer an neuen Geschöpfen. Für
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