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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Autoren: N. Singh
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»Schauen Sie hin.«
    Zögernd fragte sie sich, was wohl schlimmer war: Einem geheimnisvollen und schwer einschätzbaren Erzengel den Rücken zuzukehren oder einem unbekannten Vampir. Letztlich siegte die Neugier. Auf Raphaels Gesicht zeigte sich ausgesprochene Zufriedenheit, und nur zu gerne hätte sie gewusst, warum.
    Sie drehte sich mit ihrem ganzen Körper zur Seite, sodass sie Raphael immer noch aus den Augenwinkeln beobachten konnte. Dann sah sie die beiden… Kreaturen hinter sich. »Mein Gott.«
    »Ihr könnt wieder gehen.« Raphaels Befehl löste panische Angst in der Kreatur aus, die etwas Menschenähnliches an sich hatte. Die zweite, die eher einem Tier glich, gehorchte nur stumm und schnell.
    Die Kreaturen verschwanden durch die Glastür, Elena schluckte. »Wie alt ist…« Dieses Ding konnte man nicht Vampir nennen. Genauso wenig war es ein Mensch.
    »Erik wurde gestern erschaffen.«
    »Ich habe gar nicht gewusst, dass sie in dem Alter schon laufen können.« Sie gab sich den Anschein, aus professionellem Interesse zu fragen, doch in Wirklichkeit hatte sie es bei dem Anblick eiskalt überlaufen.
    »Er hatte ein wenig Unterstützung.« Raphaels Stimme machte deutlich, dass ihr das als Antwort reichen musste. »Bernal ist… ein ganz klein wenig älter.«
    Elena griff nach dem Glas Orangensaft, das sie zuvor noch verschmäht hatte, um den Gestank hinunterzuspülen, der ihr in jede Pore gedrungen war. Bei älteren Vampiren gab es diesen Ekelfaktor nicht. Von Ausnahmen abgesehen– wie zum Beispiel dem Türstehervampir–, rochen sie lediglich nach Vampir, so wie Elena selbst nach Mensch roch. Doch die sehr jungen hatten diesen Stinkkohl-Gammelfleisch-Geruch, den man erst durch dreimaliges Abschrubben loswurde. Deshalb hatte sie auch angefangen, Seifen und Parfums zu sammeln. Nachdem sie das erste Mal mit einem gerade eben Erschaffenen zusammengestoßen war, hatte sie tatsächlich befürchtet, diesen Geruch nie mehr aus der Nase zu bekommen.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass der Anblick eines neuen Geschöpfes einen Jäger so aus der Fassung bringt.« Auf einmal wirkte Raphaels Gesicht seltsam überschattet, dann erst merkte sie, dass er die Flügel leicht emporgehoben hatte.
    Während sie ihr Glas absetzte, fragte sie sich, ob das ein Ausdruck von Wut oder Interesse war. »Nein, eigentlich bringt es mich nicht aus der Fassung.« Zumindest stimmte es jetzt, nachdem sich der erste, unwillkürliche Ekel gelegt hatte. »Es ist der Geruch… wie ein pelziger Belag legt er sich auf die Zunge. Gleichgültig, wie sehr man auch schrubbt, man wird ihn nicht los.«
    Auf seinem Gesicht spiegelte sich aufrichtiges Interesse. »So intensiv ist diese Empfindung?«
    Sie schüttelte sich und sah sich auf dem Tisch nach etwas um, das ihr helfen konnte. Als er ihr eine aufgeschnittene Pampelmuse hinschob, biss sie mit Genuss hinein. »Mhmm.« Die Fruchtsäure milderte den penetranten Geruch etwas. Auf jeden Fall genug, um wieder klar denken zu können.
    »Wenn ich Sie bitten würde, Erik aufzuspüren, wären Sie dazu in der Lage?«
    Bei dem Gedanken an die fast toten, noch nicht wieder lebendigen Augen überlief es sie kalt. Kein Wunder, dass die Menschen an die Geschichten von Vampiren als wandelnde Tote glaubten. »Nein. Ich glaube, er ist zu jung.«
    »Und wie steht es mit Bernal?«
    »In diesem Moment ist er im Erdgeschoss.« Der Geruch des frisch Erschaffenen war so widerlich, dass er sich im ganzen Gebäude verbreitet hatte. »In der Lobby.«
    Während Raphael ganz langsam klatschte, spreizten sich seine goldverzierten Flügel und tauchten den Tisch in den Schatten. »Gut gemacht, Elena. Sehr gut!«
    Als sie von ihrer Pampelmuse hochblickte, wurde ihr zu spät bewusst, dass sie gerade eben unter Beweis gestellt hatte, wie gut sie war, anstatt zu erreichen, aus »dieser Sache«, was immer »diese Sache« auch war, herauszukommen. Mist. Doch zumindest hatte sie einen ungefähren Eindruck von dem Auftrag bekommen. »Soll ich einen Ausreißer einfangen?«
    Mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung hatte er sich vom Sitz erhoben. »Warten Sie bitte einen Moment.«
    Wie gelähmt sah sie ihm zu, wie er an den Rand des Daches trat. Er war ein Wesen von solcher Pracht, dass seine bloßen Bewegungen ihr Herz höher schlagen ließen. Dabei war es ihr gleichgültig, dass alles nur eine Illusion und er in Wirklichkeit genauso tödlich war wie das Filetiermesser, das mit einem Gurt an ihrem Oberschenkel befestigt war. Niemand,
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