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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth
Autoren: Love Pray Eat
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hypothetisch.« Doch dann sagte er ganz ernst: »Ich bin
zweiundfünfzig Jahre alt, Darling. Ich weiß, wie es auf der Welt zugeht, glaub
mir. Ich weiß, dass du mich noch nicht so liebst wie ich dich, aber das ist
mir, ehrlich gesagt, egal. Ich wollte nie was anderes von dir als die
Erlaubnis, dich so lange zu verehren, wie du es willst, weil ich es einfach so
sehr genieße. Aus irgendeinem Grund empfinde ich für dich das Gleiche wie für
meine Kinder, als sie noch klein waren - nicht sie müssten mich lieben, sondern
ich sie. Du kannst fühlen und tun, was immer du willst, ich liebe dich trotzdem
und werde dich immer lieben. Auch wenn wir uns nicht wiedersehen, weiß ich
schon jetzt: Du hast mich wieder zum Leben erweckt, und das ist beachtlich.
Natürlich würde ich gern mein Leben mit dir verbringen. Nur weiß ich nicht,
welches Leben ich dir hier auf Bali überhaupt bieten kann.«
    Diese Sorge hatte auch mich beschäftigt. Ich hatte die Ausländer
in Übud beobachtet und kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass das
kein Leben für mich ist. Überall in dieser Stadt trifft man auf Westler, denen
das Leben so übel mitgespielt hat, dass sie beschlossen haben, sich auf unbestimmte
Zeit auf Bali niederzulassen, wo sie für zweihundert Dollar im Monat in einem
prächtigen Haus wohnen und vielleicht einen jungen Balinesen oder eine
Balinesin zu sich nehmen können, wo sie sich schon vormittags betrinken können,
ohne sich Probleme einzuhandeln, wo sie ein wenig Geld verdienen können, indem
sie für irgendjemanden ein paar Möbelstücke exportieren. Im Allgemeinen aber
tun sie nichts anderes als sicherzustellen, dass nie wieder jemand ernsthaft
etwas von ihnen verlangt. Und das sind - wohlgemerkt - keine Penner. Das sind
sehr gediegene Leute, talentiert und klug. Allerdings scheint mir, als ob
jeder, den ich hier treffe, einmal etwas war (meist
»verheiratet« oder »angestellt«); jetzt aber eint sie vor allem eins: der
fehlende Ehrgeiz. Sie haben kapituliert, sind aus
dem Rennen ausgeschieden. Selbstverständlich wird hier
viel getrunken.
    Und natürlich ist die schöne balinesische Stadt Übud nicht
der übelste Ort, um sein Leben zu verbummeln und die Tage verstreichen zu
lassen. Darin ähnelt es wohl Orten wie Key West in Florida oder Oaxaca in
Mexiko. Die meisten Westler in Übud sind sich, wenn man sie danach fragt,
nicht sicher, wie lange sie schon hier leben. Zum einen wissen sie nicht, wie
viel Zeit vergangen ist, seit sie nach Bali zogen. Zum anderen scheinen sie
sich nicht sicher zu sein, ob sie hier wirklich leben. Sie gehören
nirgendwohin, sind nirgends verwurzelt. Einige von ihnen bilden sich gerne
ein, dass sie nur vorübergehend hier leben, nur eine Weile mit abgeschaltetem
Motor vor der Ampel stehen und darauf warten, dass sie auf Grün umspringt und
das Glück zu ihnen zurückkehrt. Aber nach siebzehn Jahren ... Da fragt man sich
als Außenstehende schon, ob hier eigentlich je wieder einer wegzieht.
    Trotz allem sind diese müden Exilanten eine angenehme
Gesellschaft. Sind witzig und großzügig auf ihre Art. Seit Felipe vor fünf
Jahren nach Bali gezogen ist, gehören diese Leute zu seinen Freunden. Und seit
ich mich mit ihm eingelassen habe, bin auch ich zuweilen mit ihnen zusammen.
Es ist sehr vergnüglich in ihrer trägen Gesellschaft, man verbringt endlos
lange Sonntagnachmittage Champagner trinkend und über Belangloses plaudernd
beim Brunch. Trotzdem fühle ich mich in dieser Exilantenszene manchmal wie Dorothy
in den Mohnfeldern von Oz. Pass auf! Schlaf nicht ein auf
dieser betäubenden Wiese, oder du verdöst hier den Rest deines Lebens!
    Was also wird aus Felipe und mir? Jetzt, wo es ein »Ich
und Felipe« zu geben scheint? Erst vor kurzem hat er mir gesagt: »Manchmal
wünsche ich mir, du wärst ein kleines Mädchen, das sich auf Bali verirrt hat,
und ich könnte dich einfach hochheben und sagen: >Komm und bleib bei mir, lass
mich immer für dich sorgen!< Aber du bist kein kleines Mädchen, das sich
verlaufen hat. Du bist eine berufstätige und ehrgeizige Frau. Bist unabhängig
und frei. Im Grunde eine perfekte Schnecke: Du trägst dein Haus auf dem Rücken.
Und diese Freiheit solltest du dir so lange wie möglich bewahren. Nur das sage
ich dir: Wenn du diesen Brasilianer willst, kannst du ihn haben. Ich gehöre dir
schon.«
    Ich weiß nicht, was ich wirklich will. Bin ich tatsächlich
eine Schnecke, die ihr Zuhause auf dem Rücken trägt? Jedenfalls ist es ein
Bild von mir,
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