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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth
Autoren: Love Pray Eat
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- ob Inder oder Westler
-, die mir in diesem indischen Ashram begegneten, zu ändern. Dies geschieht
aus Respekt vor der Tatsache, dass sich die meisten Leute nicht auf eine
spirituelle Pilgerfahrt begeben, um später als Figuren in einem Buch
aufzutauchen. (Es sei denn natürlich, es handelt sich dabei um mich.) Nur eine
Ausnahme habe ich mir gestattet. Richard aus Texas heißt tatsächlich Richard
und kommt auch aus Texas. Ich nenne ihn bei seinem wirklichen Namen, weil er in
Indien so wichtig für mich war.
    Als ich Richard fragte, ob es ihm recht sei, wenn ich in
meinem Buch erwähne, dass er einmal Junkie und Alkoholiker war, sagte er, das
gehe völlig in Ordnung.
    »Hab mir sowieso schon überlegt«, meinte er, »wie ich es
den Leuten am besten sage.«
    Aber zunächst - Italien ...
     
    Erstes Buch
     
    Italien
    oder
    »Sprich, wie du isst« oder
    Sechsunddreißig Geschichten über das Streben nach Genuss
     
    Ich wollte, Giovanni würde mich küssen!
    Ach, aber es gibt so viele Gründe, warum das eine ganz
schlechte Idee wäre. Zunächst einmal ist Giovanni zehn Jahre jünger als ich
und wohnt - wie die meisten unverheirateten Italiener in seinem Alter - noch
immer bei seiner Mutter. Schon allein das macht ihn zu einem unwahrscheinlichen
Liebespartner für mich, Amerikanerin, Freiberuflerin, Mittdreißigerin, die
gerade eine gescheiterte Ehe und eine verheerende, langwierige Scheidung hinter
sich hat, direkt gefolgt von einer leidenschaftlichen Affäre, die in
unerträglichem Kummer endete. Nach all den Verlusten fühle ich mich traurig
und zerbrechlich und als wäre ich siebentausend Jahre alt. Schon aus Prinzip
würde ich dem netten, unverdorbenen Giovanni mein jämmerliches, völlig fertiges
altes Ich nicht aufdrängen. Ganz zu schweigen davon, dass ich endlich in dem
Alter bin, in dem eine Frau sich zu fragen beginnt, ob es wirklich so klug ist,
sich über den Verlust eines schönen braunäugigen Burschen hinwegzutrösten,
indem man sich prompt den nächsten ins Bett holt. Deswegen bin ich nun schon
seit vielen Monaten allein. Ja, deswegen habe ich beschlossen, dieses ganze
Jahr sexuell enthaltsam zu leben.
    Der clevere Beobachter mag an dieser Stelle fragen: »Und
warum bist du dann nach Italien gegangen?«
    Darauf kann ich - vor allem wenn ich den mir am Tisch gegenübersitzenden
schönen Giovanni betrachte - lediglich antworten: »Eine sehr gute Frage.«
    Giovanni ist mein Tandem-Austausch-Partner. Das klingt
doppeldeutig, ist es aber leider nicht. Es heißt lediglich, dass wir ein paar
Abende die Woche hier in Rom damit verbringen, die Sprache des anderen zu
üben. Wir reden zuerst italienisch, und er ist geduldig mit mir; dann reden
wir englisch, und ich bin geduldig mit ihm. Entdeckt habe ich Giovanni einige
Wochen nach meiner Ankunft in Rom - dank dieses großen Internetcafés an der
Piazza Barberini gegenüber dem Brunnen mit der Skulptur von diesem sexy
Wassermann, der in sein Tritonenhorn bläst. Er (das heißt Giovanni, nicht der
Wassermann) hatte einen Zettel ans schwarze Brett geheftet, auf dem zu lesen
stand, dass ein native speaker des
Italienischen einen englischen Muttersprachler zwecks englisch-italienischer
Konversation suche. Direkt neben seiner Anfrage hing ein weiterer Zettel mit
der gleichen Bitte, die Wort für Wort und in allen Details bis zur Drucktype
mit der seinen identisch war. Der einzige Unterschied bestand in der Kontaktadresse.
Auf dem einen Blatt war die E-Mail-Adresse eines gewissen Giovanni angegeben,
auf dem anderen die eines Menschen namens Dario. Aber sogar die private Telefonnummer
war dieselbe.
    Ich verließ mich auf meine Intuition und schrieb gleichzeitig
beiden eine E-Mail, in der ich mich auf Italienisch erkundigte: »Seid ihr
vielleicht Brüder?«
    Darauf schrieb Giovanni sehr provocativo zurück: »Noch besser: Zwillinge!«
    Ja, viel besser. Große, dunkle und attraktive eineiige
Zwillinge, wie sich herausstellte, fünfundzwanzig Jahre alt, mit großen
braunen, feucht schimmernden italienischen Augen, die mich um den Verstand
bringen. Nachdem ich den Jungs persönlich begegnet war, begann ich mich zu
fragen, ob ich meinen Vorsatz, in diesem Jahr enthaltsam zu bleiben, nicht
vielleicht ein wenig modifizieren sollte. Vielleicht konnte ich ja völlig
enthaltsam leben, mit der einzigen Ausnahme, daß ich mir zwei stattliche
fünfundzwanzigjährige italienische Zwillingsbrüder als Liebhaber genehmigte.
Was mich ein wenig an eine Freundin erinnerte, die sich rein
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