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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen
Autoren: Heike Schroll
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Leichenöffnung rechtfertigt.«
Judith Brunner nickte noch zögerlich. Doch als sie in das Gesicht von Dr. Renz blickte, war sie überzeugt: »Natürlich stimme ich Ihnen zu. Ich habe Ihnen für Ihre Umsicht zu danken.«
Allerdings wussten beide, dass zuvor noch einige bürokratische Hürden zu nehmen waren. Ein Totenschein für die zusätzliche Leiche war theoretisch noch am einfachsten zu bekommen. Genügend Ärzte waren im Dienst, die eine Leichenschau vornehmen und das Formular ausfüllen könnten. Und mit Dr. Renz war ein geeigneter und befugter Facharzt für gerichtliche Medizin schon vor Ort.
Aber es war noch einiges mehr zu organisieren und daher fragte Judith Brunner: »Darf ich Ihr Telefon benutzen?«
Dr. Renz bot ihr seinen Schreibtischstuhl an, und da er ahnte, wen sie informieren wollte, setzte er hinzu: »Die Nummern des Kreisarztes und vom Staatsanwalt stehen hier«, wies er auf eine auf dem Schreibtisch liegende Liste mit Telefonnummern hin, »aber die haben Sie ja bestimmt auch im Kopf und die Polizei brauchen wir nun nicht mehr zu benachrichtigen.«
Sie blickte kurz lächelnd zu Dr. Renz auf und begann zu wählen.
Die Dinge nahmen ihren Lauf.

Als Judith Brunner gerade das Krankenhaus verlassen wollte, wurde sie aufgehalten. Ein blasser, dünner Mann in grünem Chirurgenkittel lief ihr hinterher und rief: »Hallo, sind Sie die Frau von der Polizei?«
»Ja?«
»Ein dringender Anruf für Sie, unten bei Dr. Renz.« Als Judith Brunner ihn fragend anblickte, erklärte er: »Er telefoniert immer noch. Ich wollte gerade etwas mit ihm wegen der ...«, er schluckte und senkte endlich etwas seine Stimme, »Leichen besprechen, da klingelte sein Telefon. Er meinte nur, hoffentlich erreichen wir Sie noch und bat mich, Sie rasch aufzuhalten.«
Gespannt folgte Judith Brunner dem Arzt.
Dr. Renz winkte sie mit den Worten »Hier ist sie« an den Apparat. »Walter Dreyer. Aus Wiepke«, flüsterte er ihr zu. Dabei machte er ein Gesicht, das zwischen Betroffenheit, Anspannung und Neugier wechselte.
Judith ahnte nichts Gutes. Walter! Ein Anruf in der Pathologie! Und was machte er in Wiepke? Sie meldete sich förmlich: »Hauptkommissarin Brunner.«
»Judith, endlich. Ich brauche euch.«
Da sie sich nicht im pluralis majestatis anzureden pflegten, nahm sie an, dass wohl die Dienststelle gemeint war. »Nun, berichten Sie bitte«, fuhr sie in offiziellem Ton weiter fort: »Was ist denn geschehen?«
»Botho Ahlsens hat zwei Hände gefunden.«
Die Nachricht klang sonderbar, fand Judith. Doch der Tag hatte mit einer falschen und mit einer verschwundenen Leiche begonnen, und nun ging er also mit zwei gefundenen Händen weiter. »Mehr nicht? Nur die Hände?«, fragte sie sicherheitshalber nach.
»Ja, zumindest bis jetzt. Und die Umstände sind äußerst seltsam.« Walter beschrieb Judith die Situation.
Dr. Renz schien bereits zu wissen, was ihr da gerade mitgeteilt wurde, denn er hob ratlos die Schultern, als sie ihn verdutzt ansah.
»Meine Güte! So etwas habe ich ja noch nie gehört!«, musste Judith feststellen.
Dr. Renz nickte dazu. Auch ihm war das, was Walter Dreyer ihm eben geschildert hatte, noch nicht untergekommen. Der Morgen ließ an Überraschungen wirklich nichts zu wünschen übrig! Neben seinem üblichen Untersuchungskoffer holte er rasch noch eine Kühlbox herbei und bedeutete Judith Brunner, vorsichtig seine Autoschlüssel in Augenhöhe schwenkend, dass die nötige Ausrüstung komplett und er zur Abfahrt bereit war. Bis sich wegen der Obduktion des Unbekannten alle zu beteiligenden Dienststellen gemeldet hatten, würde sowieso noch einige Zeit vergehen, zumal das Wochenende anstand. Da konnte er sich inzwischen ruhig anderweitig nützlich machen. Zwei Hände! Das war eine Herausforderung nach seinem Geschmack.
»Ich sage der Spurensicherung sofort Bescheid. Dr. Renz wird mich begleiten«, hörte er die Hauptkommissarin ankündigen.

    ~ 7 ~
     
    Inzwischen nahte die Mittagsstunde. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Walter Dreyer hatte in Sorge um den Zustand der Leichenteile das Dreiecktuch aus dem Erste-Hilfe-Kasten seines Autos über die Handschuhe gebreitet, doch waren Schwärme von Insekten damit beschäftigt, eine Möglichkeit zu finden, sich ungeachtet dessen auf der kleinen, Fleisch bietenden Fläche niederzulassen.
Botho Ahlsens war mit seinen Fundstücken allein. Die Gesellschaft Wenzels hatte er rücksichtsvoll abgelehnt und der war erleichtert mit ins Dorf zurückgefahren. Ahlsens fühlte sich in
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