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Gift und Geld

Gift und Geld

Titel: Gift und Geld
Autoren: Carter Brown
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Blick auf Mrs. Wallace J. Miller. Ihr
glänzendes mitternachtsschwarzes Haar war straff aus dem Gesicht gestrichen und
im Nacken achtlos zu einem Knoten geschlungen. Die Farbe des Haares stand in
einem lebhaften Kontrast zu dem fast leuchtenden Perlweiß ihrer Haut. Ihre
dunklen Augen waren ruhig und völlig unpersönlich, während sie auf meine
Antwort wartete. Ich hatte ein wenig Mühe damit, und das war ihre Schuld.
    Sie trug eine hüftlange Jacke
aus rosa Kordsamt, die nicht zugeknöpft war, so daß man die gesamte Vorderseite
hinunter den Pyjama, den sie darunter trug, sehen konnte; und es war in der Tat
ein Anblick. Er bestand aus einem Oberteil aus feinen Spitzen, die eng ihre
volle hohe Brust umschlossen, und einer hautengen Satinhose, die sich bis zur
Wadenmitte um ihre langen schlanken Beine schmiegte. Wie der verstorbene
Wallace J. Miller es fertiggebracht hatte, abends auszugehen und sie zu Hause
zu lassen, war mir ein Rätsel.
    »Leider habe ich schlechte
Nachrichten für Sie, Mrs. Miller«, sagte ich schwach.
»Vielleicht setzen Sie sich besser.«
    »Ich glaube nicht, daß das
notwendig ist«, sagte sie gelassen.
    »Es betrifft Ihren Mann.« Ich
spürte, wie kleine feuchtkalte Schweißperlen auf meine Stirn traten. »Er — hat
einen Unfall gehabt.«
    »Einen Autounfall?« Ihre Stimme
klang noch immer, als handle es sich bei meinem Besuch um reinen Zeitvertreib.
    »Eigentlich nicht.« Ich mühte
mich entsetzlich ab. »Mehr etwas wie eine Herzattacke — einen Herzinfarkt.«
    »Wann ist es passiert?« Ihr
Gesicht blieb völlig ausdruckslos — keine Tränen, nichts.
    »Vor etwa einer Stunde, in
einer Bar in der Innenstadt«, sagte ich. »Er kam herein, dann erwischte es
ihn.«
    »Er ist natürlich tot?«
    »Leider ja.«
    »Sie wollen sicher, daß ich ihn
identifiziere«, sagte sie gelassen. »Bitte entschuldigen Sie mich, Lieutenant,
ich gehe und werde mich anziehen.«
    »Es eilt nicht so«, murmelte
ich.
    »Es eilt nicht?« Eine Sekunde
lang blickten mich ihre dunklen Augen fragend an, dann begriff sie
offensichtlich. »Oh, ich verstehe. Es wird eine Autopsie geben?«
    »In Fällen wie diesen ist es
eine reine Routineangelegenheit.«
    »Dann werde ich mir mit dem
Anziehen Zeit lassen«, sagte sie und lächelte schwach. »Und wenn eine Frau das
sagt, so ist das eine Warnung, Lieutenant. Sie setzen sich besser.«
    »Danke«, sagte ich. »Sie haben
mir die Sache viel leichter gemacht, als ich befürchtet habe — dazu gehört
Mut.«
    »Oder ein Mangel an
persönlichem Interesse an meinem verstorbenen Mann?« Für eine Sekunde trat ein
Ausdruck boshaften Humors in ihre Augen. »Aber ich möchte Sie nicht in
Verlegenheit bringen, Lieutenant. Entschuldigen Sie mich.«
    Sie drehte sich um und verließ
das Zimmer, mich mit herabhängendem Unterkiefer zurücklassend. Ich hatte schon
Frauen hysterisch werden sehen, deren Lieblingspudel auf der Autostraße
überfahren worden war. Dies hier war die erste völlig kaltblütige Reaktion
einer Frau auf die Nachricht über ihre plötzliche Witwenschaft gewesen.
Vielleicht war sie Alkoholikerin und hatte statt der üblichen roten
Blutkörperchen geeisten Vermouth in den Adern.

ZWEITES KAPITEL
     
    I ch habe gehört, Sie haben gestern abend Ihre Gewohnheiten völlig durchbrochen,
Lieutenant?« sagte Annabelle Jackson liebenswürdig, als ich gegen neun Uhr am
nächsten Morgen ins Vorzimmer trat. »Sie haben ein Rendezvous mit einer Leiche
gehabt?«
    »Sie hat mich so sehr an Sie
erinnert, mein Zuckerlämmchen«, sagte ich in sehnsuchtsvollem Ton. »Dieselben
schnellen Reaktionen — dieselbe Leidenschaft, dasselbe Feuer. Wenn sie nun auch
einen Rock getragen hätte, wäre die Illusion fast vollständig gewesen!«
    »Das halten Sie wohl für
schrecklich witzig?« fragte sie kalt. »Bedenken Sie, diese schrecklich
komischen Bemerkungen sind alles, was Ihnen geblieben ist, nachdem es bei Ihnen
zu keinem Rendezvous mit einem weiblichen Wesen reicht.« Aber dann lächelte sie
schon wieder, und zwar mit noch unerträglicherer Süße. »Ich bin so gemein zu
Ihnen, Al, wo ich doch voller Mitleid sein sollte. Warum setzen Sie sich nicht!
Ihre müden, alten, zittrigen Beine bedürfen doch jetzt sicher dringend der
Ruhe.«
    »Jedenfalls«, sagte ich laut,
»nicht im Vergleich zu diesem müden, alten, zittrigen...«
    »Al Wheeler!« Ihre Wangen
flammten plötzlich in glühendem Rot. »Unterstehen Sie sich!«
    »Okay.« Ich fühlte eine
Aufwallung von Großmut. »Nicht müde — nicht
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