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GIERIGE BESTIE

GIERIGE BESTIE

Titel: GIERIGE BESTIE
Autoren: Thomas Müller
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versprechen, dass Sie nicht wieder irgendwann einmal in eine Situation hineinkommen, wo Sie sich einfach denken: ‚Ich kann nicht mehr, das, was ich tue, hat keinen Sinn mehr. Meine Anstrengungen erkennt niemand. Die Handlung, die ich setze, ist am Abend bereits veraltet und eine neue Herausforderung steht schon wieder an.‘ Wieder und wieder, unaufhörlich, einem Hamster in einem Rade gleich, der beständig versucht, einen Erfolg herbeisehnend, ein Stück höher zu kommen, ohne zunächst dabei zu erkennen, dass, je schneller er seine Schritte setzt, der Boden umso schneller unter seinen Füßen wegläuft.
    Irgendwann, Herr Dox, ich will es nicht hoffen und es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass es eintrifft, aber wenn Sie wieder einmal in eine Situation geraten, die Ihnen mit unglaublicher Härte und Brutalität die scheinbare totale Sinnlosigkeit Ihrer Existenz aufzuzeigen scheint, wenn es wieder einmal so weit ist, dann erinnern Sie sich vielleicht an folgende Metapher, die ich Ihnen noch mitgeben möchte. Das Gleichnis spielt auf einer griechischen Insel. Ein Mann steht auf einer kleinen Klippe in der Nähe des Meeres, die Sonne geht gerade unter und das Bild könnte nicht kitschiger sein. Er beobachtet das Farbenspiel der Sonne, welches sich in den ständig heranrollenden kleinen Wellen widerspiegelt. Dabei fällt ihm eine fast groteske Situation auf. Eine kleine Frau, in schlechte Lumpen gehüllt, geht in kleinen stockigen Schritten den Strand entlang, der mit Kiesel- und kinderhandgroßen Steinchen bedeckt ist. Sie bückt sich immer wieder und hebt kleine Fische auf, welche dort zu Hunderten, ja zu Tausenden auf den Steinen liegen und um ihr Leben zappeln. Je länger der Mann auf seiner Klippe dieses Bild der schier endlosen Verzweiflung beobachtet, desto klarer erkennt er plötzlich, dass mit jeder Welle, die an den Strand rollt, wieder tausende und abertausende Fische an den Strand gespült werden. Wieder und wieder bückt sich die kleine Frau, hebt ein paar Fische auf und wirft sie ins Meer. Fast etwas ungeduldig und verständnislos verlässt der Mann seinen Beobachtungsfelsen, geht zur Frau hinunter, blickt sie an und meint: ‚Aber das, was Sie hier machen, hat doch überhaupt keinen Sinn. Sehen Sie denn nicht, dass mit jeder Welle wiederum abertausende Fische an den Kieselstrand gespült werden?‘
    Sie erhebt sich, wobei man ihr klar ansieht, dass das Durchstrecken des Rückens ihr wirkliche Schmerzen bereitet. Sie blickt den Mann durchdringend und für ihn fast schmerzlich lächelnd an und meint: ‚Ja, Sie haben Recht. Sie haben absolut Recht.‘
    Und als ob sie mit einer einzigen Handlung die gesamte Logik der Situation auf den Kopf stellen wollte, bückt sie sich abermals, hebt einen einzelnen Fisch auf, hält ihn fast schützend mit geschlossener Hand vor ihrer Brust, lächelt ihn an und sagt: ‚Aber für diesen Fisch ist es absolut wichtig, was ich hier tue‘ und wirft ihn mit einer ausladenden Bewegung weit ins Meer hinaus.“
    Vielleicht war die folgende Beobachtung nur ein Trugbild. Vielleicht war sie das Ergebnis, dass ich in den letzten 56 Stunden nur ein, zwei Stunden geschlafen hatte. Vielleicht war meine Beobachtung auch nur eingebildet, aber ich hatte das Gefühl, als ob ich Ello Dox zum ersten Mal lächeln sah. Mit Sicherheit aber war meine ergänzende Erläuterung vollkommen überflüssig, denn er hatte verstanden, was ich damit sagen wollte.
    „Das klärende Gespräch, Herr Dox, das Sie in dieser Situation führen, den fairen Vertrag, den Sie aushandeln, den objektiven Bericht, den Sie schreiben, die freundliche Antwort, die Sie auf eine Frage geben, der ehrliche Dank, den Sie jemand gegenüber bringen, der ist es alle Mal wert.“
    Meine Beispiele waren in der Tat überflüssig, denn sie plumpsten so schwerfällig in die Leichtigkeit der Situation wie fette Steine, von Kinderhand geworfen, in einen träge dahinfließenden Seitenarm des Flusses. Mit Sicherheit war ihm ein viel besseres Beispiel eingefallen, aber er verabschiedete sich mit einem ganz persönlichen Schweigen und nahm zwei Treppen gleichzeitig über die breite Stiege des Gerichtsgebäudes.

zweiundvierzig
    Als ich das Spezialhandy mit all seinen Superfunktionen, die ich im Übrigen nie verstanden hatte, das Ortungsgerät und auch die platinfarbenen und goldenen Kreditkarten auf den gläsernen Riesentisch legte, meinte El Presidente: „Sie sind sparsam mit Ihren Möglichkeiten umgegangen, Herr Doktor Müller. Außer
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