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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Autoren: St John Greene
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unschuldigen Passagiere ganz allein bei mir. Mein Magen zog sich zusammen, und beim Gedanken an das Ausmaß dieser Verantwortung verkrampften meine Finger sich am Lenkrad. Sie hatten keine Mama mehr, jetzt kam es auf mich an. Plötzlich war ich Witwer, plötzlich war ich alleinerziehender Vater. Allein die Worte zu denken schockierte mich und brachte meinen Kreislauf ins Wanken.
    Ein Teil von mir wäre am liebsten weggerannt und hätte so getan, als wäre alles nicht passiert, doch zugleich verspürte ich den heftigen Drang, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um meine Jungs zu beschützen, damit Kate auf mich stolz sein konnte. Ich wollte nach wie vor ihr Mr Unglaublich sein, das zumindest war ich ihr schuldig.
    Ich fuhr langsam und umsichtig. Ich durfte jetzt keinerlei Risiken eingehen, musste jede Fahrt langsam angehen. Sollte mir etwas zustoßen, wer würde sich dann um die Jungs kümmern? Außerdem hatten wir keine Eile, nach Hause zu kommen. Das Haus würde noch genauso aussehen, wie ich es vorhin verlassen hatte. Keiner würde im Backofen das Essen anbrennen lassen, wie Kate das zu tun pflegte. Meine Lippen verzogen sich unfreiwillig zu einem schwachen Lächeln, als ich an Kates Kochversuche dachte. Wenn man etwas nicht in die Mikrowelle stellen und darauf warten konnte, dass es »Ping« machte, war Kate überfordert. Damit zog ich sie auch immer auf.
    Kates beste Freundin Ruth war ihr, als wir geheiratet hatten, zur Hand gegangen und hatte ihr ein halbes Dutzend einfacher Gerichte beigebracht. Tagliatelle, Lasagne, mexikanische Fajitas, Curry und Spaghetti bolognese wurden zu ihren »Spezialitäten«, aber die Kunst des Kochens beherrschte Kate nie wirklich. Jetzt hatte Ruth eine andere Rolle bekommen. »Ruth kennt sich gut aus in Erziehungsfragen« , belehrte Kate mich, » da sie zwei Jungs im gleichen Altersabstand hat – falls es zu Konflikten mit den Ansichten der Großeltern kommen sollte .« Das kleine Wort »falls« entlockte mir ein Lächeln. Unsere Eltern könnten unterschiedlicher nicht sein und wie die meisten Paare hatten auch wir Probleme, beiden Seiten der Familie gerecht zu werden. Jetzt hatten Kates Eltern Christine und Martin einen Schwiegersohn, aber keine Tochter mehr. Alles war durcheinandergeraten. Bis jetzt hatte ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht, aber es bereitete mir Kopfzerbrechen. Genauso musste es auch Kate gegangen sein, aber sie war mir einen Schritt voraus gewesen und hatte sich Wege überlegt, die mir das Leben ohne sie erleichtern sollten.
    Ich mag Ruth sehr. Sie war mit meinem Freund Chris verheiratet gewesen, den ich vor gut zwanzig Jahren bei einem Lehrgang für Scuba-Tauchen kennengelernt hatte. Als Kate sich im Scuba-Tauchen qualifizierte, nahm er die Prüfung ab. Inzwischen sind Ruth und Chris geschieden, und sie wohnt nur einen kurzen Fußweg von uns entfernt. Ich nenne sie meinen »Lieblings-Rottweiler«, weil sie eine der Freundinnen ist, die dir ins Gesicht sagen, was sie denken, und sich auch nicht scheuen, dich einen Trottel zu nennen. Das bewunderte ich, und ich fand es sehr klug von Kate, mir Ruth für elterliche Ratschläge ans Herz zu legen.
    Ich warf einen Blick über meine linke Schulter. »Den Kaugummi nicht schlucken, Jungs«, sagte ich. »Denkt dran, das ist der Grund, weshalb ihr bisher noch keinen bekommen habt. Seid bitte vorsichtig. Versprecht mir, vorsichtig zu sein.«
    »Okay, Daddy«, sagte Reef. »Ich kann Blasen machen, sieh nur!«
    Und mit einem lauten Knall ließ er eine Kaugummiblase platzen, was Finn zum Kichern brachte. Sie kicherten noch, als wir in die Einfahrt fuhren und vor der Eingangstür anhielten.
    Als die Haustür aufging, vermisste ich Kates vertrauten Ausruf »Hallo Jungs!«. Ich vermisste sowohl ihre mitten im Flur abgelegte Handtasche als auch ihre am Fußende der Treppe abgestreiften Schuhe zu sehen, aber zu meiner Erleichterung und Überraschung wirkte das Haus nur halb so leer, wie ich befürchtet hatte. Das Telefon klingelte, unser Terrier Coral bellte, und noch bevor ich meinen Mantel ausgezogen hatte, klopfte es an der Tür.
    Es war Paula, eine der Mütter aus der Schule. Sie weinte sich die Augen aus, was in mir sofort die Reaktion auslöste, sie trösten zu wollen. »Es tut mir so leid, Singe«, platzte es aus ihr heraus. »Ich musste einfach vorbeikommen, ich musste was tun.«
    »Das ist schon in Ordnung, keine Sorge«, sagte ich ihr und umarmte sie. »Ich finde es rührend, dass Sie gekommen
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