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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Autoren: St John Greene
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die Runde machte, war ich darauf bedacht, den Menschen, die nicht recht wussten, was sie sagen sollten, ihre Unsicherheit zu nehmen. Dabei gab mir die Tatsache, dass Kate mir noch immer so nah war, Trost und Kraft. Sie war zwar tot, doch das bedeutete nicht, dass sie aufgehört hatte, Teil meines Lebens zu sein. Wieso auch? Sie war mein Leben, obwohl ich jetzt ohne sie weitermachen musste.
    Eine Weile betrachtete ich versunken die Teenager auf der Tanzfläche. Sie hatten großen Spaß, wie das auch bei Kate und mir in diesem Alter der Fall gewesen war, eigentlich sogar fast unser ganzes gemeinsames Leben lang. Die in der Luft liegende Begeisterung und das Lachen der jungen Leute erinnerten mich an unsere ersten Verabredungen. Ich stellte mir die vollkommen sorglos in ihren hautengen Jeans tanzende Kate als Teenager vor. Sie sah älter aus, als sie war, und hatte selbst mit sechzehn nie Schwierigkeiten, in einen Nachtklub zu kommen. Sie ging jedes Mal aufrechten Ganges auf die Türsteher zu, kicherte und wackelte selbstbewusst mit den Hüften, was nie seine Wirkung verfehlte, und so war oftmals ich derjenige, dessen Alter in Frage gestellt wurde, trotz der fünf Jahre, die ich älter war als sie, und sich ausweisen musste. Kate war immer eine umwerfende Erscheinung, und im Blinken der Lichter und Laser hatte ich auf der Tanzfläche nur Augen für sie. Und während unsere Blicke miteinander verschmolzen, hatte ich das Gefühl, mit ihr allein im Raum zu sein.
    Wenn wir unsere Tour durch die Klubs beendet hatten, dehnten Kate und ich den Abend oft noch zu einem mitternächtlichen Picknick in Priddy in den Mendip Hills aus. Vor meinem geistigen Auge sehe ich sie dort mit siebzehn auf einer Decke unter den Sternen sitzen und nach Satelliten Ausschau halten. Sie lauscht dem Chor der Frösche und der Insekten. Es war Kates absoluter Lieblingsplatz. Dort gab es kein Streulicht, weshalb die Sterne so hell leuchteten, dass es sich anfühlte, als wären wir in einem gewaltigen Planetarium, nur wir zwei. Ich atmete den Duft von Kates Parfüm ein, der sich mit dem süßen Geruch des feuchten Grases verband, und wir redeten stundenlang und ließen uns gemeinsam dahintreiben.
    Bei dieser Erinnerung wurde mir warm ums Herz. Kate und ich waren Seelengefährten, und das blieben wir über mehr als zwanzig Jahre. Konnte ich mich da nicht glücklich schätzen? Beim Blick in die Runde all der Teenager auf der Party, die alle ihr Leben noch vor sich hatten, ergriff mich große Dankbarkeit dafür, dass Kate und ich uns in so jungen Jahren kennengelernt hatten und es uns daher vergönnt war, so viele glückliche Jahre miteinander zu verbringen. Dies war etwas, was uns auch die Krebserkrankung niemals nehmen konnte.
    Gelinde gesagt nahm Kates Diagnose uns den Wind aus den Segeln. Da sie uns nur wenige Wochen nachdem unser kleiner Junge Reef sich von einer unglaublich seltenen und aggressiven Krebsform erholt hatte, ereilte, empfanden wir sie als umso grausamer und hielten uns für vom Pech verfolgt. Ich erinnere mich an meine mühsamen Versuche, trotzdem Positives zu entdecken. Meine beherzte Kate würde jedenfalls wie eine Löwin kämpfen, sagte ich mir. Reef hatte gegen alle Prognosen überlebt, und so würde auch Kate den Tumor besiegen. Als Folge von Reefs Krebserkrankung war sein linkes Bein ein wenig geschwächt, weshalb er Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten, er kam aber bemerkenswert gut damit zurecht, und die wenigsten Leute ahnten, dass er als körperbehindert registriert war. Ich wusste, dass Kate die gleiche Widerstandskraft aufbringen würde, egal was ihr die Krebserkrankung zumutete oder abverlangte.
    Wir hatten unser Leben immer in vollen Zügen genossen. Wir hatten die Welt bereist und aus jedem Tag das Beste herausgeholt. Was die Vergangenheit betraf, brauchten wir nichts zu bereuen, und das war ein Segen. Und die Gewissheit, dass Kate, egal wie krank sie wurde, auch weiterhin aus jeder Minute des Tages das Maximum herausholen würde, war die positive Kraft, nach der ich gesucht hatte.
    Ein Jahr ist vergangen, seitdem ich sie verloren habe, und ich schreibe an diesem Buch und kann Ihnen versichern, dass Kate mich oder die Jungs niemals enttäuscht hat. Wir konnten immer stolz auf sie sein, bis zu ihrem Todestag und darüber hinaus. Selbst als die Krankheit ihr in den letzten paar Monaten arg zusetzte, unternahm sie mit den Jungs Reisen nach Disneyland und nach Lappland und bestand darauf, nur wenige Tage vor ihrem Tod
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