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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Autoren: St John Greene
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sind.«
    Es war ein gutes Gefühl, derjenige zu sein, der tröstete, anstatt getröstet zu werden. Das war eine Rolle, in der ich mich viel wohler fühlte. Sie reichte mir eine große Gebäckdose. »Ich muss backen, wenn ich aufgewühlt bin. Hier sind etwa zweihundertvierzig Brownies. Es tut mir so leid!«
    Ich lachte, als sie unter Entschuldigungen den Weg hinunterlief und mich mit der überquellenden Dose zurückließ.
    Im Laufe der nächsten paar Stunden tauchten jede Menge Freunde und Nachbarn mit Schüsseln voller Curry, Kartoffelaufläufen und Lasagne auf. Einige schauten für ein paar Minuten herein, andere entfernten sich rasch wieder und ließen wunderbare Leckerbissen auf der Türschwelle zurück. Ich kam mir vor wie ein Ein-Mann-Katastrophengebiet, als wäre ich über Nacht zu einem Mini-Haiti geworden, das Nahrungsmittelabwürfe und Notfallrationen benötigte, um überleben zu können. Kates Eltern kamen vorbei und spielten eine Weile mit den Jungs, während ich den Anrufbeantworter abhörte, die Tür aufmachte, wenn es klingelte, und mich schließlich in den Wintergarten davonschlich, um dort für mich allein ein wenig zu weinen.
    Kate war überall und nirgends. Ein paar ihrer Lieblingskleider lagen verknittert auf dem Korb mit Bügelwäsche, und mir fiel auf, dass eine ihrer bunten Rettungswesten von ihrem Haken an der Hintertür gefallen war. Wir besaßen eine ganze Garage voller Rettungswesten, dazu alles, was man sich an Überlebensausrüstung nur vorstellen kann. Die Ironie dessen war mir bis zu diesem Moment nie bewusst geworden. Ironie schien auch nicht das richtige Wort zu sein, eher schlicht und einfach Pech. Warum hatte Kate nicht überlebt? Sie war fit und gesund gewesen. Sie hat nie geraucht und trank nur selten etwas und hielt sich an alle gängigen Gesundheitsratschläge. Der Einzige, den sie nur widerwillig beherzigte, war der, Gemüse zu essen, doch sie gab sich Mühe. Sie hatte es nicht verdient zu sterben. Warum musste Kate das passieren?
    Ich hörte das Kommen und Gehen der Frauen und Mütter von anderen, die mich trösten wollten. Meine Frau, meine Seelengefährtin war tot. Unsere Jungs hatten ihre Mama verloren, aber das Leben der anderen ging weiter. Andere Menschen sorgten und liebten sich und teilten ihr Leben miteinander. Andere Menschen atmeten und redeten und umarmten sich, und andere Menschen gingen durch meine Eingangstür und kehrten zu ihren Kindern und ihrer anderen Hälfte zurück.
    Abends um sieben waren alle Gäste fort, und es war Zeit für die Jungs zu baden. Kate und ich hatten uns immer an einen festen Plan gehalten. Einer von uns ließ die Badewanne einlaufen und Kate wusch die Jungs, steckte sie in ihre Schlafanzüge und gab ihnen dann einen Gutenachtkuss. Dann war ich an der Reihe und las ihnen eine Geschichte vor und sorgte unweigerlich dafür, dass sie wieder aufdrehten. Ich kitzelte sie und brachte sie zum Lachen, bis Kate kam und, die Arme in die Hüften gestemmt, in der Tür stehen blieb und missbilligend den Kopf schüttelte.
    Insgeheim gefiel es ihr, und sie wusste natürlich auch, dass ich es wusste. Sie war ein Spaßvogel, und nichts freute sie mehr, als ihre Jungs lachen zu sehen. Doch sie war auch eine hervorragende Mama, und Regeln waren Regeln und Schlafenszeit war Schlafenszeit. »Nun macht schon, ihr drei ungezogenen Bengel«, schimpfte sie mit keck funkelnden Augen. »Zeit, dass endlich Ruhe einkehrt.« Sie gab den Jungs einen Gutenachtkuss, dann gab ich ihnen auch einen und kitzelte sie für gewöhnlich noch ein kleines bisschen, wenn Mummy nicht hersah.
    Wo sollte ich heute Abend anfangen? Ein unmögliches Unterfangen, da ich jetzt Mummy und Daddy zugleich war. »Na los, Jungs, Zeit zum Baden«, rief ich. Dasselbe hatte ich schon tausendmal gesagt, aber jetzt schien es mir neu und anders zu sein, als würde ich es zum ersten Mal aussprechen. Wir gingen zu dritt nach oben, wie wir das schon so oft getan hatten, nur dass es heute anders war. Da Kate tot war, würde von nun an alles anders sein.
    Mein Blick fiel automatisch auf den Türrahmen zum Schlafzimmer der Jungs. Dort, wo Kate immer mit gespielt saurer Miene gestanden hatte, waren auf dem weißen Rahmen mit Bleistift die Größen der Jungs markiert. Ich sah sie vor mir, wie sie Bücher auf die Köpfe der Jungs legte und sie ermahnte, nicht zu wackeln, während sie ihre momentane Körperhöhe einzeichnete. Zwischen den beiden war kein großer Unterschied, obwohl sie achtzehn Monate
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