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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Autoren: St John Greene
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leuchteten aus ihrem Gesicht heraus und verliehen ihr etwas Strahlendes. Und ihre Figur … nein, lieber nicht. Als ich Kate das erste Mal sah, trug sie ausgebleichte Jeans, die aussahen, als wären sie aufgesprüht. Sie sah damals unglaublich aus, und daran hatte sich auch fünfundzwanzig Jahre später nichts geändert. Ich weiß, dass sie auch noch weitere fünfundzwanzig Jahre und mehr unglaublich ausgesehen hätte, wenn es ihr vergönnt gewesen wäre, alt zu werden.
    Stattdessen verlor Kate alles. Erst ihre Brust, dann ihre Haare. Jetzt hatten auch ihre Augen zu leuchten aufgehört, und ihr umwerfender Körper war tot. Niemals mehr würde ich meine schöne Kate lieben können. Und auch der gemeinsame Besuch eines Rugbyspiels mit den Jungs war ihr nicht mehr vergönnt. Stattdessen stand als weiterer Punkt auf der Liste: »Nimm die Jungs zu einem internationalen Rugbyspiel mit.« Das wenigstens ließ sich machen, dafür würde ich sorgen.
    Der Wecker läutete am nächsten Morgen um halb acht und jagte mir einen panischen Schrecken ein. Mein Körper schien eher wach zu sein als mein Geist, und er schien zu wissen, dass dies kein normaler Tag war, denn er verspannte sich sofort, und ich bekam Herzrasen. Mein Blick fiel auf die Jungs, die neben mir lagen, zusammengerollt wie zwei kleine Siebenschläfer, und auf Kates Bettseite. Da fiel mir wieder ein, dass Kate tot war. Es war, als hätte mir gerade erst jemand die Nachricht überbracht, die nun erneut langsam in mein Bewusstsein drang. Die Jungs wurden unruhig und regten sich. Ihre Mama war tot. Das war mein einziger Gedanke. Meine Frau war tot, und ihre Mama war tot, und jetzt waren wir hier, um aufzustehen und zur Schule zu gehen und den nächsten Tag zu beginnen, an dem wir ohne sie auskommen mussten – genauso wie für den Rest unseres Lebens.
    Ein weiterer Alarm schrillte, diesmal war es mein Handy. Ich erschrak, weil ich mich nicht erinnern konnte, noch einen Weckruf eingestellt zu haben, und war sofort in Sorge, bereits einen Fehler gemacht und etwas Wichtiges vergessen zu haben, etwas, das Kate für mich aufgeschrieben oder mir aufgetragen hatte. Auf dem Display blinkten die Worte »Reefs Medizin«. Ich musste lächeln und weinte ein paar Tränen, weil mir wieder einfiel, wie Kate mich in ihrem Krankenhausbett um mein Handy gebeten hatte, als es dem Ende zuging. Sorgfältig hatte sie den Alarm eingestellt, damit ich niemals vergaß, Reef seine tägliche Medizin zu geben.
    Reef setzte sich im Bett auf und ertappte mich dabei, wie ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischte. »Um Himmels willen, Dad, hör endlich auf zu weinen!«, sagte er und verzog enttäuscht sein kleines Gesicht. Offenbar ging er davon aus, dass ich die ganze Nacht geweint hatte, womit er vielleicht gar nicht so falsch lag. Als Finn sich aufsetzte, sah er sehr verloren aus. Reef legte ihm den Arm um die Schultern und sagte mit fester Stimme: »Na komm, wir schaffen das schon.« Die Jungs sahen einander in die Augen, tauschten einen wissenden Blick und den Anflug eines Lächelns: Brüder, die ein Komplott schmiedeten. »Natürlich schafft ihr das, Jungs«, sagte ich und setzte ein fröhliches Lächeln auf. Es war kein vorgetäuschtes Lächeln, denn ihre Tapferkeit verlieh mir den Mut und die Kraft, den Tag in Angriff zu nehmen.
    »Los, Jungs, geht bitte einer nach dem anderen unter die Dusche«, sagte ich und schmiss sie aus dem Bett. An Schultagen lief alles strikt nach Plan, ich war entschlossen, daran festzuhalten, weil ich davon ausging, dass ich so besser klarkommen würde. Ich musste dafür sorgen, dass die Jungs von jetzt an ihren Beitrag leisteten und eigenständig ein paar kleine Aufgaben übernahmen, dabei wäre es keine Hilfe, wenn ich anfing, sie zu betütteln, oder neue Regeln einführte.
    Während die Jungs duschten, legte ich ihre Schuluniformen zurecht und machte das Bett; danach ging ich selbst unter die Dusche, während sie sich wie üblich anzogen, wobei Reef Finn beim Anziehen der schwarzen Hose und des grünen Sweatshirts half. Anschließend gingen sie gemeinsam nach unten, um Coral und die Meerschweinchen zu füttern, derweil richtete ich den Jungs ihr Frühstück her und gab Reef seine Medizin.
    Alles verlief nach Plan. »Bitte die Zähne, Jungs«, sagte ich, und sie flitzten, um die Poleposition kämpfend, wieder nach oben, wie sie das nach dem Frühstück immer taten. »Heute bin ich als Erster dran«, sagte Finn. »Nur eine Minute«, erwiderte Reef, als sie den
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