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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Autoren: St John Greene
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folgte seinem Bruder in ihr gemeinsames Schlafzimmer.
    »Kannst du uns Captain Flinn and the Pirate Dinosaurs vorlesen?«, hakte er nach.
    Dass die beiden heute Abend in ihrem eigenen Zimmer schliefen, war gar nicht diskutiert worden; beide Jungs hatten es einfach getan, scheinbar, ohne nachzudenken. Es war noch keine Woche seit Kates Tod vergangen, aber wenn man ein kleiner Junge ist, sind vermutlich schon ein paar Tage eine lange Zeit. Außerdem wussten sie, dass sie immer kommen und sich zu mir kuscheln konnten, sollten sie es sich anders überlegen.
    »Na dann kommt, Piraten«, sagte ich und fügte noch ein »oh – aargh, ihr Leckeren« hinzu, worüber sie kichern mussten.
    Ich hätte ihnen die Geschichte auswendig erzählen können, so oft haben wir sie gelesen. Die Jungs kuschelten sich jeder an eine Seite von mir, und beim Anblick ihrer erwartungsvollen Gesichter, als würden sie die Geschichte gleich zum ersten Mal hören, musste ich lächeln. Ein altes Lieblingsbuch vorzulesen hatte etwas Tröstliches, denn ich wusste genau, dass die Jungs vor Verwunderung große Augen machen würden, wenn der kleine Flinn (den Finn unbeirrbar für eine Cartoon-Version seiner selbst hielt) durch einen Geheimdurchgang in die zauberhafte Welt der Piraten geriet. Ich sorgte für ein paar Geräuscheffekte, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen, wenn die T-Rex-, Stegosaurus- und Triceratops-Piraten auf hoher See kämpften, und die Jungs kreischten vor Vergnügen.
    »Können wir auch einen Geheimdurchgang bekommen?«, wollte Reef wissen.
    »O ja, können wir?«, stimmte Finn ein.
    »Bittebittebitte, Daddy? Das wäre voll cool.«
    Kate hätte die Idee gefallen, und mir gefiel sie auch.
    »Wir werden sehen«, sagte ich und war in Gedanken bereits bei einem von Kates Wünschen, nämlich ein Spielzimmer für die Jungs zu bauen. Das war ihr derart wichtig gewesen, dass sie es auf ihrer Liste gleich zweimal erwähnte. »Bitte baue von dem Geld ein Spielzimmer für die Jungs …«, hatte sie geschrieben. Und ergänzt: »Ich hätte gern, dass sie ein Spielzimmer und eine Kletterwand bekommen«.
    Ich gab den Jungs einen Gutenachtkuss. »Bis ans Ende der Welt«, sagte ich dabei. »Bis ans Ende der Welt«, erwiderten die beiden ruhig. Vier Küsse, und meine beiden kleinen Piraten schlummerten bereits ein. Glückliche Jungs, dachte ich. Ich wusste, dass ich heute Nacht allein im Bett bestimmt nicht so schnell Schlaf finden würde.
    Ich überquerte den Treppenabsatz und machte mir dabei klar, dass ich seit Kates Tod zum ersten Mal Gelegenheit hatte, in unserem Schlafzimmer ganz allein für mich herumzuwerken. Nachdem ich die Tür leise hinter mir geschlossen hatte, freute ich mich darauf, zunächst einfach darüber nur zu sinnieren, aber gleichzeitig verließ mich der Mut. Vor mir lag die Aufgabe, Kates Kleider aus dem Zimmer zu räumen. Wir hatten mehrere Kleiderschränke, alle zum Bersten voll. Als ich mich umsah, fiel mir der Zipfel eines der gehäkelten Roxy-Lieblingstops von Kate ins Auge, das in einer Schranktür eingeklemmt war, aus einer der Schubladen hing ein babyblauer Pullover, und mehrere Paar Turnschuhe und Ballerinas guckten mich aus Schuhkartons an.
    Ich hatte Kate »meine kleine Meerjungfrau« genannt. Kleider für sie zu kaufen hatte mir immer große Freude bereitet, insbesondere die von mir so getauften »Surfermieze-Klamotten«. Ich kannte ihren Körper und ihre Figur so gut, dass ich mir keine Sorgen machen musste, die falsche Größe zu erwischen. Ihre Freundinnen fanden es sehr lustig, dass ich ihr mehr Kleidungsstücke kaufte als sie sich selbst, aber ich hatte ein Gespür dafür, was an ihr gut aussah. Mit ihrer reizenden Figur konnte sie alles tragen, ob es nun bequeme Sportkleidung oder ein eng anliegendes kleines Schwarzes war, sie sah immer fantastisch aus.
    Ich öffnete eine der Schranktüren und ging Kates Kleider durch. Es war sehr aufwühlend, sie alle so sauber und gebügelt vor mir zu sehen, als bräuchte Kate nur noch hineinzuschlüpfen. Wie hätte ich auch ahnen können, dass das Ende so schnell kommen würde, die Stücke, die nach und nach in den Kleiderschrank wanderten, nie mehr zum Einsatz kämen, jedenfalls nicht an Kate.
    Mir fiel das Voodoo-Dolls-Baumwollkleid ins Auge, das ich im vergangenen Sommer für sie gekauft hatte. Sie hatte es geliebt. Wie eine echte Filmschönheit sah ich sie barfuß darin am Strand entlangschlendern. Dann gab es da noch die hübsche weiße Baumwollbluse von
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